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Reinhard Coenen / Karl-Heinz Simon (Hrsg.)

Systemforschung – Politikberatung und öffentliche Aufklärung. Beiträge von und im Umfeld von Helmut Krauch und der Studiengruppe für Systemforschung

Kassel: kassel university press 2011; X, 456 S.; 34,- €; ISBN 978-3-86219-204-5
Die Systemforschung, so die Herausgeber in ihrem Vorwort, betont „die Wichtigkeit der Berücksichtigung unterschiedlicher Analyseebenen, die der einzelnen Komponenten und die der übergreifenden systemischen Zusammenhänge.“ (IV) Was heute etwa in der Governance‑Forschung alltäglich und variantenreich betrieben wird, blickt auf eine lange Wissenschaftshistorie zurück, weswegen die in diesem Band versammelten Beiträge aus dem Zeitraum von 1966 bis 2004 einerseits dokumentarischen Charakter haben, andererseits aber auch eine Perspektive auf die Ursprünge von Multilevel‑Governance oder Technikfolgenabschätzung erlauben. Aus dem Erkenntnisinteresse einer grundsätzlichen Beschäftigung mit solchen Forschungs‑ und Methodenfeldern heraus empfiehlt sich besonders die Lektüre zweier Beiträge von Helmut Krauch zum Grundverständnis von Systemforschung und zu ihrer prozessualen Umsetzung. Krauch definierte bereits 1968 im Rahmen eines Interviews Systemforschung – sehr stark im Sinne einer Praxisberatung durch Wissenschaft – als Ansatz, die „Informationsflut zu ordnen, der technischen Entwicklung optimale Bedingungen zu schaffen und ihre zukünftigen Möglichkeiten mit den Bedürfnissen der Gesellschaft in Einklang zu bringen.“ (60) Dieser noch ungebrochene Planungs‑ beziehungsweise Beratungsoptimismus – den Herbert Paschen in seinem Beitrag nicht ganz teilt, wenn er die Systemforschung bloß als Analyse der Erzeugung von Wissen der (frühen) Systemtheorie gegenüberstellt – schlägt sich dann auch in der Forschungspraxis nieder. Für Krauch ist Wissenschaft weniger ein kreativer Prozess des Problemlösens als vielmehr eine Frage der Optimierung von Abläufen. Die Kapitelüberschrift „Organisation von Erfindungen“ (86) kann man da sehr wörtlich nehmen. Der Meister der Künste, so zeichnet sich bereits 1970 ab, wird zunehmend durch den Wissenschaftsmanager ersetzt, der noch dazu auf computergestützte Verfahren zur organisierten Produktion von Innovation zurückgreifen kann: „Immerhin“, so Krauch, „zeichnen sich Möglichkeiten ab, durch veränderte Organisationsformen und Arbeitsweisen Forschungsabläufe auch in den Teilen zu organisieren, zu rationalisieren und zu automatisieren, die bisher als schöpferisch galten.“ (98) Das ist angesichts der aktuell sehr intensiv betriebenen Forschung im Bereich der Digital Humanities eine nahezu prophetische Aussage – über die weiter zu diskutieren sein wird.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Reinhard Coenen / Karl-Heinz Simon (Hrsg.): Systemforschung – Politikberatung und öffentliche Aufklärung. Kassel: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35724-systemforschung--politikberatung-und-oeffentliche-aufklaerung_43281, veröffentlicht am 07.03.2013. Buch-Nr.: 43281 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken