
Syrien. Religion und Politik im Nahen Osten
Deutschsprachige Publikationen zu Syrien sind rar. Um so willkommener ist daher der vorliegende Band, auch wenn es sich dabei nicht um eine politikwissenschaftliche Analyse, sondern um die Reisebeobachtungen und -gedanken eines Empirischen Kulturwissenschaftlers handelt. Doch bieten die Reflexionen und fundierten Hintergrundbeschreibungen Syrien-Interessierten einen nützlichen Einblick. Schweizer betrachtet Syrien als ein Land der religiösen und ideologischen Gegensätze, in dem Christen neben Schiiten, Sunniten neben Drusen sowie Alawiten leben und in dem religiös inspirierter Fundamentalismus und arabischer Nationalismus als politische Ideologien aufeinanderprallen. In historischer Perspektive zeichnet er die Entwicklung von der Ausbreitung des Islam im siebten und achten Jahrhundert bis zur Politik des heutigen Syrien nach. Dabei untersucht Schweizer das Land Syrien exemplarisch als einen Schauplatz kultureller Wechselbeziehungen, der sich auch in vielen anderen Staaten des Nahen Ostens wiederfinden ließe und räumt dem Einfluß auswärtiger Mächte bei der politischen und kulturellen Entwicklung Syriens den gebührenden Platz ein. Leider berücksichtigt der Autor hierbei die israelisch-syrische Konfliktkonstellation als identitäts- und legitimitätsstiftendes Moment der syrischen Politik zu wenig - ein Manko, das aber durch eine ausführliche Zeittafel im Anhang etwas ausgeglichen wird.
Inhaltsübersicht: Erste Eindrücke: Syrien ein Pulverfaß?; Das Besondere an Syrien; Toleranz im Namen Allahs; Eine verborgene Achse Jerusalem – Damaskus; Sunniten und Schiiten; Der Islam und die Frauen; Islam und modernes Denken; "Ketzer" und der Sieg der Orthodoxie; Das Trauma der Kreuzzüge; Imperialismus und Nationalismus; Toleranzkrisen im 20. Jahrhundert; Baath und Islam; Die Ideologie der Muslim-Brüder; Ein kurzer "Heiliger Krieg" in Syrien; Auch Feindbilder wandeln sich.