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Melani Barlai / Christina Griessler / Richard Lein (Hrsg.)

Südtirol. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Andrássy Studien zur Europaforschung 7); 217 S.; brosch., 39,- €; ISBN 978-3-8487-0780-5
„Die südtiroler Autonomie wird häufig als positives Beispiel für die Bewältigung eines historisch begründeten Minderheitenkonflikts genannt und als Modell für vergleichbare europäische Konflikte dargestellt.“ (7) Die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes setzen sich mit der Entwicklung der autonomen Region Trentino‑Südtirol auseinander, die keineswegs nur geradlinig verlief, sowie mit der gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Situation. Michael Gehler resümiert in seinem Beitrag die Zeit bis zur Lösung der Südtirolfrage 1969 durch das sogenannte Südtirol‑Paket. Es wird deutlich, dass vor allem Italien die entscheidende Kraft war, den Prozess sowohl voranzutreiben als auch zu bremsen. Gehler spricht in diesem Zusammenhang von einer „Inneritalienisierung“: „Südtirol blieb […] ein Spielball der italienischen Innenpolitik und fiel parteitaktischen und wahlkampfstrategischen Überlegungen zum Opfer.“ (29) Das Misstrauen gegenüber der italienischen Autonomiepolitik erkläre auch die eher knapp ausgefallene Zustimmung zum Südtirol‑Paket innerhalb der Südtiroler Volkspartei (SVP) im Jahr 1969. Orsolya Oppe knüpft mit ihrem Beitrag dort an, wo Gehler aufhört: bei dem Inkrafttreten des Pakets im Januar 1972 als Zweites Autonomiestatut und den gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Bestimmungen. Oppe sieht den Erfolg des Statuts, räumt aber ein, dass „die vorbildhafte Regelung auch nicht frei [sei] von negativen Reaktionen, die das harmonische Zusammenleben von Italienern, Deutschen und Ladinern erschweren können“ (54). Spannungen der unterschiedlichen Sprachgruppen würden sich unter anderem aus dem ethnischen Proporzmodell ergeben oder auch im Schulsystem zeigen. Auch das Auftreten neuer separatistischer und radikaler Bewegungen stellt die Region vor weitere Herausforderungen. Wie diesen zu begegnen sei, lässt Oppe offen: „Es ist fraglich, ob die Handhabung der neu entstehenden politischen und gesellschaftlichen Konflikte erneute internationale Schritte erfordert, oder ob Südtirol in der Lage sein wird, diese Situation mit der jeweiligen italienischen Regierung zu regeln.“ (61) Die Autorinnen und Autoren zeichnen mit den unterschiedlichen Schwerpunkten ihrer Beiträge ein umfassendes Bild Südtirols und zeigen auf, dass die Frage nach regionaler Identität und Autonomie besonders im heutigen Europa weiterhin aktuell und brisant ist.
Simone Winkens (SWI)
M. A., Politikwissenschaftlerin, Online-Redakteurin.
Rubrizierung: 2.614.422.22 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Melani Barlai / Christina Griessler / Richard Lein (Hrsg.): Südtirol. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37432-suedtirol_45586, veröffentlicht am 21.08.2014. Buch-Nr.: 45586 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken