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Felix Heiduk (Hrsg.)

Staatszerfall als Herrschaftsstrategie. Indonesien zwischen Desintegration und Demokratisierungsblockade am Beispiel des Aceh-Konflikts

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2010 (Aktuelle Materialien zur Internationalen Politik 77); 216 S.; 36,- €; ISBN 978-3-8329-5450-5
Politikwiss. Diss. FU Berlin; Gutachter: W.-D. Narr, K. Schlichte. – Bis zu der verheerenden Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 war die indonesische Provinz Aceh Schauplatz eines innerstaatlichen Sezessionskonfliktes. Nach dem Ende der mehr als dreißigjährigen autoritären Herrschaft Suhartos 1998 und mit dem anschließenden Beginn der demokratischen Transition des Landes kam es zu einem Anstieg der Gewalt in Aceh und in anderen Konfliktregionen. Kurze Zeit später – infolge der erfolgreichen Sezession Osttimors 1999 – wurde eine Debatte um die „drohende Balkanisierung“ Indonesiens angestoßen, die den politischen Alltag des Landes beherrschte. Anhand des Aceh-Konfliktes untersucht Heiduk Zusammenhänge zwischen innerstaatlichem Gewaltkonflikt, Demokratisierungsprozessen und der Herrschaftssicherung des Militärs bis Ende 2004. Er zeigt, wie das Militär – als großer Verlierer der Transition – die Balkanisierungsdebatte als Argument für die Stärkung seiner Position nutzen konnte. Gestützt auf dieses Bedrohungsszenario habe sich das Militär „zu einem zentralen politischen und oftmals auch wirtschaftlichen Akteur aufschwingen“ (180) können. Die Eskalation der Gewalt und die damit verbundene Staatsschwäche sei ohne die Rolle des Militärs, das sich auf nationaler und internationaler Ebene als „Hüter der Einheit“ (188) darstellen konnte, nicht zu verstehen. Den theoretischen Kontext bildet die Staatszerfallsdebatte. Heiduk wendet sich gegen die häufig angenommene Kausalität zwischen innerstaatlichen Kriegen und Staatsschwäche. Zwar seien auch im Aceh-Konflikt wesentliche, in der Staatszerfallsforschung angenommene Indikatoren für eine Schwächung des Staates auszumachen, jedoch habe „das Militär als genuin staatlicher Akteur zu der vermeintlich drohenden Desintegration des Staates [...] stark beigetragen“ (189). Dieses Phänomen der „gewollten Schwäche“ spiegele nicht den Zerfall politischer Herrschaft wider, sondern weise „auf die Spezifika politischer Herrschaft in postkolonialen Staaten im Unterschied zum Idealtypus moderner Staatlichkeit hin“ (191). Daher plädiert Heiduk für eine Abkehr von einem auf dem europäischen Nationalstaat beruhenden Staatsbegriff.
Anke Rösener (AR)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.21 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Anke Rösener, Rezension zu: Felix Heiduk (Hrsg.): Staatszerfall als Herrschaftsstrategie. Baden-Baden: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32617-staatszerfall-als-herrschaftsstrategie_38929, veröffentlicht am 13.10.2010. Buch-Nr.: 38929 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken