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Christine Gölz / Alfrun Kliems (Hrsg.)

Spielplätze der Verweigerung. Gegenkulturen im östlichen Europa nach 1956

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2014; 506 S.; 74,90 €; ISBN 978-3-412-22268-0
Im Gegensatz zu den auf die staatssozialistischen Systeme bezogenen Dissidentenbewegungen existierten und existieren die im Sammelband beschriebenen „Strategien der Verweigerung“ – also „Resistenzformen, die auf direkte gesellschaftliche Wirkung bewusst verzichteten, um sich ihre Radikalität zu bewahren“ (9) – auch nach 1989. Die Autorinnen und Autoren schlagen somit einen weiten Bogen von 1956 – dem Jahr der Niederschlagung der ungarischen Aufstandsbewegung – bis in die Gegenwart. Die titelgebenden „Spielplätze“ verstehen sich dabei als metaphorische Orte der Absage an Systemansprüche in enger Verbindung mit den Teilaspekten Urbanität, Jugend, Untergrund etc. Die Beiträge beruhen auf den Ergebnissen eines mehrjährigen interdisziplinären Forschungsprojektes am Leipziger Geisteswissenschaftlichen Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) und zeigen die faszinierende Vielfalt von Protesthandlungen und ‑haltungen in allen Sparten der bildenden und darstellenden Künste, der Literatur und der Musik eindrucksvoll auf. Der Osteuropahistoriker und Musikwissenschaftler Rüdiger Ritter beschäftigt sich mit der ambivalenten Rolle des Jazzmilieus in den Ostblockstaaten. Am Beispiel der Sendung „Music USA Jazz Hour“ von Voice of America führt er aus, wie der politisch verstandene Freiheitsbegriff des US‑amerikanischen Senders mit den auf persönliche Freiheiten abzielenden Interessen der Rezipienten im östlichen Europa kollidierte. Die Popularität des Stils konnte zugleich durch die sozialistischen Machthaber propagandistisch genutzt werden. Der Architekt und Architekturhistoriker Silviu Aldea thematisiert Aneignungsprozesse sozialistischer Architektur nach 1989 im Kontext von Debatten um Musealisierung und Gentrifizierung und entsprechende Gegenbewegungen. Er plädiert dabei für eine funktionalistische Betrachtungsweise, anstatt die baulichen Hinterlassenschaften des Staatssozialismus „aufgrund ästhetischer und historischer Assoziationen zu bewerten“. „Alt“ (im Sinne von vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden) müsse dabei „nicht automatisch besser bedeuten“ (257).
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.612.232.22 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Christine Gölz / Alfrun Kliems (Hrsg.): Spielplätze der Verweigerung. Köln/Weimar/Wien: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37165-spielplaetze-der-verweigerung_45745, veröffentlicht am 05.06.2014. Buch-Nr.: 45745 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken