Sozialer Wandel und Gewaltkriminalität. Deutschland, England und Schweden im Vergleich, 1950-2000
Als Teil eines interdisziplinären, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsverbundes zum Thema „Desintegrationsprozesse – Stärkung von Integrationspotenzialen einer modernen Gesellschaft“ befasst sich die Studie mit der Entwicklung der Gewaltkriminalität seit Mitte des vorigen Jahrhunderts vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Strukturveränderungen. Die Studie überzeugt gleichermaßen durch den gewählten theoretischen Bezugsrahmen wie durch die breite empirische Basis. Für die Analyse werden die Kriminalitätsdaten des Zeitraums 1950 bis 2000 aus drei Ländern – Deutschland, England, Schweden – herangezogen, die unterschiedliche Typen wohlfahrtsstaatlicher Arrangements repräsentieren. Die in allen drei Ländern steigende Gewaltkriminalität wird – bei sorgfältiger Auseinandersetzung mit den in diesem Zusammenhang bestehenden methodologischen Fragen – plausibel als Indikator für zunehmende Probleme der sozialen Integration interpretiert. Von der Zivilisationstheorie Norbert Elias' und der Gesellschaftstheorie Emile Durkheims ausgehend entwickeln die Autoren einen Erklärungsrahmen, der Veränderungen des staatlichen Gewaltmonopols und den Übergang von kollektivistischen zu individualistischen Gesellschaften ebenso berücksichtigt wie die Unterscheidungen von kooperativem/desintegrativem Individualismus und strukturaler/prozessualer Anomie. Insgesamt entsteht damit das nicht nur heuristische Bild gesellschaftsstrukturell bedingter Tendenzen, die auf der einen Seite durch Förderung desintegrativen Individualismus Ressourcen der Solidarität untergraben, auf der anderen Seite durch zunehmende Ökonomisierung und die Ausbreitung elektronischer Kommunikationsmedien gewaltaffine Formen eines regressiven Kollektivismus begünstigen.