Diss. Kassel. – Solidarität ist ein Schlüsselbegriff im sozialwissenschaftlichen wie im politischen Denken. In beiden Kontexten verfügt er über ein breites Spektrum an Bezügen und nicht zuletzt deshalb ist die Bedeutung des Begriffs abhängig von den jeweiligen Verwendungszusammenhängen. Stärker noch als für die wissenschaftliche gilt dies für die politische Rede, werden doch mit Solidarität ebenso konservative wie linke Programmatiken transportiert. So haben Anfang 2000 in der Absicht, sozialdemokratische Positionen zu reformulieren, Gerhard Schröder und Tony Blair eine eher liberale Lesart von Solidarität vertreten, Lionel Jospin hingegen eher eine sozialistische. Vor diesem Hintergrund untersucht die Autorin die Auslegungen des Solidaritätsbegriffs im französischen Sozialismus und in der deutschen Sozialdemokratie. Das empirische Material bilden sozialpolitische Reden von Spitzenpolitikern – für den deutschen Fall sind das Reden der Bundeskanzler Brandt, Schmidt und Schröder, auf französischer Seite werden Reden der Ministerpräsidenten (IV. Republik) und der Premierminister (V. Republik) herangezogen. Die Autorin möchte einerseits einen Beitrag zur politischen Diskussion eines aktualisierten Begriffs von Solidarität leisten, der die Gehalte sozialer Emanzipation wieder zur Geltung bringt. Andererseits sieht sie in ihrer Arbeit einen methodischen Vorschlag, die vergleichende Diskursanalyse als Teilgebiet der politischen Kulturforschung zu etablieren.