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Georg Steinmeyer

Siegfried Kracauer als Denker des Pluralismus. Eine Annäherung im Spiegel Hannah Arendts

Berlin: Lukas Verlag 2008; 234 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-86732-030-6
Diss. TU Berlin; Gutachter: H.-D. Zimmermann, H.-P. Hempel. – Kracauer ist als einer der bekanntesten Feuilletonisten der Weimarer Republik in Erinnerung geblieben. Nach seiner Emigration in die USA machte er sich einen Namen als Filmtheoretiker und arbeitete als Sozialwissenschaftler. Steinmeyer rückt ihn nun auf einen ganz eigenen Platz in der deutschen Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts und dies nicht nur, weil sein Text „Die Angestellten“ von 1930 „zu den ersten modernen empirisch-sozialwissenschaftlichen Studien überhaupt“ (9) zählt. Kracauer habe sich in einer an Ideologien reichen Zeit von jedem Denkmodell ferngehalten und der Eindimensionalität verweigert. „Ein anderer Beweggrund, sich Kracauer zuzuwenden, ist die immer wieder erstaunliche Aktualität von Beobachtungen“ (11) in seinen Texten. Dazu zählten seine Analysen „der Marginalisierung des Individuums durch die totale Ökonomisierung aller Lebensbereiche“ (222). Steinmeyer leuchtet das geistige Umfeld Kracauers seit Beginn der frühen 20er-Jahre aus – und grenzt ihn sowohl vom Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt als auch vom Institut für Sozialforschung seines Freundes Adorno ab. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Adorno hatte sich spätestens 1934 endgültig als unergiebig erwiesen, weil Kracauer sich dessen Analyse des Nationalsozialsozialismus auf Grundlage der marxistischen Theorie verweigerte. Kracauer erklärte den Aufstieg Hitlers vor allem mit speziellen deutschen Voraussetzungen, zu denen er die schwache Ausprägung einer bürgerlicher Kultur (im Sinne einer Zivilgesellschaft) zählte. Steinmeyer sieht Kracauer, der sich mit Kapitalismus wie Marxismus gleichermaßen kritisch auseinandersetzte, damit der Zuordnung einer Denkschule entzogen. Am ähnlichsten seien dem Ansatz seiner Texte die Schriften Arendts, bei beiden sei der Pluralismus eine Schlüsselkategorie, beide hätten Geschichte als „lesbar durch die Einzelleben“ angesehen und gemeint, dass die Methode einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise nicht genüge, „um ein tatsächlich brauchbares Bild der Geschichte zu bekommen“ (218).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.46 | 2.3 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Georg Steinmeyer: Siegfried Kracauer als Denker des Pluralismus. Berlin: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29531-siegfried-kracauer-als-denker-des-pluralismus_34961, veröffentlicht am 28.10.2008. Buch-Nr.: 34961 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken