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Martin Zapfe (Hrsg.)

Sicherheitskultur und Strategiefähigkeit. Die ressortgemeinsame Kooperation der Bundesrepublik Deutschland für Afghanistan

Online-Publikation 2011 (http://kops.ub.uni-konstanz.de/bitstream/handle/urn:nbn:de:bsz:352-168316/Diss_Zapfe.pdf); 276 S.
Diss. Konstanz; Begutachtung: W. Seibel, Th. Rid, Chr. Knill. – „Vernetzte Sicherheit“ heißt der offizielle Ansatz des deutschen Engagements in Afghanistan. Zapfe analysiert, wie die relevanten deutschen Ministerien dieses Konzept umsetzen. Dafür interviewte der Autor insgesamt 34 leitende Angestellte aus dem Auswärtigen Amt (AA), dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Verteidigung (BMVg) im Zeitraum von 2003 bis 2010. Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt der Arbeit: Was sind die Kernprobleme der ressortgemeinsamen Kooperation und wieso treten diese Probleme gerade in der Umsetzung einer zivil-militärischen Strategie auf? Als zentrales Problem identifiziert der Autor, dass sich die Ausrichtung des BMVg nicht an zweckrationalen Gründen orientiert, sondern an institutionalisierten Ritualen. Diese haben sich über einen langen Zeitraum herausgebildet, wie er in einem historischen Kapitel zeigt. Durch die Zivilisierung sei eine Kontrolle des Militärs entstanden, die sich durch eine „Über-Internalisierung“ (237) bestimmter normativer Vorstellungen über die Rolle des Militärs in einer Demokratie ergebe und am Ende wie eine Selbstzensur wirke. Dazu gehöre auch, dass sich das Militär mit seinen Experten weitgehend aus den Überlegungen zur Strategiefindung heraushalte. Als weitere Problemfaktoren werden ein fehlendes gemeinsames Verständnis der Strategie der „Vernetzten Sicherheit“, nicht geklärte Kompetenzverteilungen zwischen den Ministerien sowie Spannungen zwischen dem AA und dem BMZ genannt. Diese Faktoren kulminieren letztlich in der bemerkenswerten These einer Strategieunfähigkeit der Bundesrepublik in Afghanistan. Vor Ort werde von den beteiligten Akteuren versucht, dies durch informelle und personenabhängige Zusammenarbeit zu kompensieren, was jedoch nur situativ möglich sei. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass Deutschland sein Potenzial im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund der vorherrschenden deutschen Sicherheitskultur nicht ausnutzt. Als Lösung schlägt er deshalb eine Zentralisierung und Hierarchisierung der Entscheidungsfindung mit einer stärkeren Einbeziehung militärischer Expertise vor, wobei dies mit einer Veränderung des Verständnisses der Sicherheitskultur einhergehen müsse. Sicherlich sollten diese gewagten Thesen durch die weitere Forschung – vor allem durch einen Ländervergleich – überprüft werden. Zudem können die zentralen Fragen wohl abschließend erst geklärt werden, wenn zahlreiche Akten der Ministerien freigegeben werden. Gleichwohl handelt es sich um eine gelungene Dissertation über ein Thema, das weiterer Diskussionen wert ist.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.322 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Martin Zapfe (Hrsg.): Sicherheitskultur und Strategiefähigkeit. 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35459-sicherheitskultur-und-strategiefaehigkeit_42741, veröffentlicht am 18.10.2012. Buch-Nr.: 42741 Rezension drucken