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Alexander Freier

Sicherheits-Governance in Rio de Janeiro unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von transnationalen Unternehmen

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2013 (Politica 95); 248 S.; 79,80 €; ISBN 978-3-8300-6640-8
Diss. Leipzig. – „‚Brasilien, ein Land der Zukunft‘“ (13), schrieb Stefan Zweig Anfang der 1930er‑Jahre euphorisch. Er hegte optimistische Erwartungen hinsichtlich der Entwicklungsfähigkeit der brasilianischen Gesellschaft. Und wie sieht die Realität heute aus? In ökonomischer Hinsicht hat sich zwar ein Aufschwung vollzogen. Das gelte, schreibt Alexander Freier, jedoch nicht für die politischen und sozialen Entwicklungen, beispielsweise leide die Lebensqualität der Bevölkerung in der Metropole Rio de Janeiro unter Gewalt – er erinnert etwa an die kriminellen Aktivitäten von Drogenbanden. Wie wirkt sich die urbane Gewalt wiederum auf den Wirtschaftsstandort Brasilien aus? „The biggest problem companies face in Rio is urban violance“ (16), lautet die Beobachtung eines Unternehmensberaters. Da sie für ihr Agieren ein gewisses Maß an Sicherheit benötigen, fragt der Autor, ob und inwiefern transnationale Unternehmen Einfluss auf die Gestaltung von Sicherheit in der Metropolregion nehmen. Zwischen 2006 und 2008 hat er in einer Feldstudie fünfzehn dort tätige Firmen untersucht. Zur Analyse der Sicherheitsbeziehungen rekurriert er auf den „‚Nodal‑Governance‑Ansatz‘“ (32) der Kriminologen Scott Burries, Peter Drahos und Clifford Shearing. In seine Analyse bezieht er die Polizei als staatliche Sicherheitsinstitution ein, aber auch die Milizen und die Drogenbanden. Letztere hätten, so Freier, auf Gewalt und Unterdrückung basierende parallele Ordnungsstrukturen in den Armenvierteln Rio de Janeiros etabliert. Deutlich werde, dass die öffentliche und private Sphäre im Bereich der Sicherheitsgewährleistung nicht nur verschwimme. Vielmehr werde ein Trend sichtbar, „wonach Firmen aufgrund ihrer partikularen Sicherheitsinteressen unter Berücksichtigung der beschriebenen Sicherheitsumwelt Rio de Janeiros teilweise und ungewollt zur fortschreitenden ‚Privatisierung des Systems öffentlicher Sicherheit‘ beitragen“ (200). Darüber hinaus leisteten Unternehmen aufgrund ihrer eigenen Sicherheitsinteressen ungewollt „einen Beitrag zur Perpetuierung der lokalen Machtbasis illegaler Gewaltakteure und damit zu dieser Form der Privatisierung von Sicherheit“ (202). Welche Möglichkeiten der Gewaltprävention bestehen seitens der Unternehmen? Sozialprogramme tragen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse und zur Sicherheit der Jugendlichen in den Favelas bei und bieten sich insofern als sinnvolles Instrument an, so das Fazit. Angesichts der wachsenden Gewalttätigkeit von Banden bei gleichzeitiger Schwäche der Polizei in der Prävention aber präferierten einige Firmenchefs Milizen, um ihre Operationen zu sichern. Freier hält dies aus demokratietheoretischer Sicht für „äußerst bedenklich“ (204).
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Rubrizierung: 2.65 | 2.21 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Alexander Freier: Sicherheits-Governance in Rio de Janeiro unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von transnationalen Unternehmen Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38039-sicherheits-governance-in-rio-de-janeiro-unter-besonderer-beruecksichtigung-der-rolle-von-transnationalen-unternehmen_45869, veröffentlicht am 05.02.2015. Buch-Nr.: 45869 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken