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Stephan Geier

Schwellenmacht. Bonns heimliche Atomdiplomatie von Adenauer bis Schmidt

Paderborn u. a.: Ferdinand Schöningh 2013; 485 S.; 49,90 €; ISBN 978-3-506-77791-1
Geschichtswiss. Diss. Erlangen‑Nürnberg; Begutachtung: G. Schöllgen, F. Kiessling. – Die Rolle der Kernenergie für die deutsche Außenpolitik steht im Blickpunkt der Betrachtung Stephan Geiers; ihm geht es insbesondere um die Entstehung des Atomwaffensperr‑ oder auch Nichtverbreitungsvertrags (NV), den die Bundesrepublik 1969 unterzeichnete. Dieser bildet bis heute ein wesentliches Element des internationalen Nichtverbreitungsregimes. Der damalige Bundeskanzler Adenauer hatte bereits 1954 erklärt, dass Deutschland freiwillig auf die Produktion von Nuklearwaffen verzichtet. Außerdem gehörte die Bundesrepublik einer Gruppe von Staaten an, die sich verpflichteten, die Profileration durch gemeinsame Exportrichtlinien einzudämmen. Daraus lässt sich zwar folgern, dass die Bundesrepublik daran interessiert war, ein umfassendes NV‑Regime zu unterstützen. Doch tatsächlich spielten die verschiedenen Bundesregierungen bis in die 1970er‑Jahre „eine zwar signifikante, aber eher problematische Rolle“ (10), was der Autor in seinem umfangreichen Werk herausarbeitet. Zunächst beginnt er mit der Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn in der Zeit des Nationalsozialismus und liefert in diesem Kontext zahlreiche technische Details, die ihm als promovierten Physiker geläufig sind. Sodann schildert er die einzelnen Stationen auf dem Weg zum NV‑Vertrag. Nach Ende des Krieges verzichtete Adenauer im Namen der Bundesrepublik auf die Produktion von Atomwaffen im eigenen Land; der Einstieg in die zivile Nutzung der Kernenergie erfolgte dann, so Geier, mit Unterstützung der Kernwaffenmächte USA und Großbritannien. Einem militärischen Missbrauch sollte durch strenge Kontrollen vorgebeugt werden. Die deutsche Atomindustrie zeigte sich äußerst ehrgeizig, sodass sich die Bundesrepublik bereits Ende der 1950er‑Jahre „als nuklearer Aufsteiger“ (133) präsentierte. Ihre Rolle hatte sich „vom nuklearen Entwicklungsland hin zu einer nuklearen Schwellenmacht gewandelt“ (134). Dass alle in dieser Arbeit untersuchten Bundesregierungen (von Adenauer bis Schmidt) versuchten, „den Status Deutschlands als nuklearer Schwellenmacht“ (391) aufrechtzuerhalten – sei es durch die Teilhabe der Bundeswehr am nuklearen Waffenarsenal der NATO oder durch die Entwicklung und den Export vermeintlich rein ziviler Atomanlagen –, arbeitet Geier gründlich heraus. Ebenso stellt er ausführlich dar, dass die Ausarbeitung des Nichtverbreitungsvertrages von neuen atomaren Schwellenmächten erheblich beeinflusst wurde, wobei vor allem die Bundesrepublik Deutschland eine Schlüsselposition einnahm.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 4.212.3134.224.412.64 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Stephan Geier: Schwellenmacht. Paderborn u. a.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36922-schwellenmacht_44669, veröffentlicht am 03.04.2014. Buch-Nr.: 44669 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken