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Johann Zajaczkowski

Russland – eine pragmatische Großmacht? Eine rollentheoretische Untersuchung russischer Außenpolitik am Beispiel der Zusammenarbeit mit den USA nach 9/11 und des Georgienkrieges von 2008

Stuttgart: ibidem-Verlag 2015 (Soviet and Post-Soviet Politics and Society 144); 298 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-8382-0837-4
Magisterarbeit Trier; Begutachtung: S. Schieder. – Die russische Außenpolitik sei durch eine Fülle an Publikationen gut erschlossen, schreibt Johann Zajaczkowski einleitend, weshalb er sich ihrer speziellen Überprüfung zuwendet. In den Mittelpunkt stellt er das russische Rollenkonzept und die Frage, inwieweit es die Außenpolitik des Landes – insbesondere unter Putin – prägt. Es geht also im Wesentlichen um das Bild Russlands von sich selbst in der Welt und das entsprechende Handeln. Zajaczkowski formuliert dazu verschiedene Aspekte aus – so die miteinander konkurrierenden kompetitiven und kooperativen Weltbilder oder die sich eher nicht ergänzenden Vorstellungen, Teil einer multilateralen Welt und doch die neben den USA wichtigste Führungsmacht zu sein. Diese Widersprüchlichkeiten treffen allerdings, so zeigt sich im chronologischen Abgleich, selten direkt aufeinander, zumindest aus Sicht der russischen Regierung erscheint ihr Handeln plausibel und dem eigenen Rollenkonzept angemessen. Diese erst einmal systemimmanente Analyse lässt den Autor zunächst zu Feststellungen kommen, die aus heutiger Sicht doch wohl eher überraschen: „Ausgehend von der Wahl der Instrumente lässt sich die Rolle Russlands als die einer zurückhaltenden Militärmacht beschreiben.“ (77) Diese Prämisse dürfte schon angesichts der Tschetschenien‑Kriege und des Konflikts mit Georgien zweifelhaft gewesen sein, hat aber auf jeden Fall ebenso wie weitere Komponenten des außenpolitischen Selbstverständnisses immer weiter an Substanz verloren. Diese vom Autor erarbeiten Elemente des Rollenkonzepts lassen ihn also nur für den eigentlichen Untersuchungszeitraum schließen, dass Russland stets im Einklang mit den eigenen Ansprüchen und Vorstellungen agiert habe. Aber spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe dieser Arbeit im Januar 2014 zeichnete sich angesichts des Konflikts mit der Ukraine ab, wie Zajaczkowski bekennt, dass die von ihm erarbeitete Analyse für die Gegenwart nicht greift: Russlands handelt nicht mehr als „pragmatische Großmacht“, sondern gleichgültig „gegenüber der wirtschaftlichen Verflechtung mit der EU und den USA“. Erkennbar sei ebenfalls „die Umkehr der Domestizierung russischer Außenpolitik: Der Krieg im Osten der Ukraine wird mehr oder weniger offen zum Zweck der Regimestabilität“ (228 f.) instrumentalisiert. Die eigene Rolle, so scheint es, wird gerade neu definiert.
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Rubrizierung: 4.222.622.642.61 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Johann Zajaczkowski: Russland – eine pragmatische Großmacht? Stuttgart: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40151-russland--eine-pragmatische-grossmacht_47835, veröffentlicht am 10.11.2016. Buch-Nr.: 47835 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken