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Ingo Schmidt (Hrsg.)

Rosa Luxemburgs "Akkumulation des Kapitals". Die Aktualität von ökonomischer Theorie, Imperialismuserklärung und Klassenanalyse

Hamburg: VSA 2013; 166 S.; 16,80 €; ISBN 978-3-89965-557-5
Vor einhundert Jahren (1913) erschien die Erstausgabe von Rosa Luxemburgs „Akkumulation des Kapitals“. Dieses Jubiläum nehmen die Autoren zum Anlass, um aufzuzeigen, dass Luxemburgs kapitalismustheoretische Ausarbeitungen – ungeachtet mancher Irrtümer und Fehleinschätzungen – nichts von ihrem analytischen Potenzial verloren haben. Zwar mögen die politischen Rahmenbedingungen andere sein 1913, doch an der grundlegenden Funktions‑ und Reproduktionslogik des kapitalistischen Wirtschaftssystems hat sich nichts Wesentliches verändert. Das wird insbesondere im Beitrag von Klaus Dörre deutlich, der sich mit gegenwärtigen Prozessen „kapitalistischer Landnahme“ (82) auseinandersetzt. Auch wenn Luxemburg selbst diesen Begriff nicht explizit verwendet hat, steht er in der Soziologie für ihre zentrale Einsicht, „dass kapitalistische Gesellschaften sich nicht aus sich selbst heraus reproduzieren können, weshalb sie auf die fortwährende Okkupation eines nichtkapitalistischen Anderen angewiesen sind“ (83). Da dem „strukturelle[n] Wachstumszwang“ (85) des Kapitalismus konsumtions‑ und reproduktionsbezogene Grenzen gesetzt sind, muss die Schaffung von Mehrwert erstens durch nichtkapitalistische Subsistenzproduktion abgesichert werden und zweitens bedarf es einer sich kontinuierlich ausdehnenden Inwertsetzung vormals nicht kapitalistisch organisierter Regionen oder Lebensbereiche. War es zu Luxemburgs Zeiten noch in erster Linie (aber nicht ausschließlich) der Kolonialismus, der diese kapitalistische Inwertsetzung vollzogen hat, geschieht dies heute vor allem durch die Einverleibung und Vermarktlichung privater Lebensbereiche (Haushalts‑ und Sorgearbeit, Bildung, Privatisierung öffentlicher Güter etc.). Dörre zeigt, wie sich mithilfe des Landnahmetheorems jüngste Entwicklungen im Bereich von Finanzmärkten, Wettbewerbs‑ und Arbeitspolitiken in Zusammenhang bringen und verstehen lassen. Weitere Beiträge beschäftigen sich unter anderem mit der Bedeutung von Luxemburgs Imperialismustheorien für aktuelle globale Entwicklungen. Der Sozialhistoriker Marcel van der Linden, der sich mit zahlreichen Untersuchungen zur Arbeiterbewegung einen Namen gemacht hat, rekonstruiert unter Rückgriff auf unterschiedliche Schriften Luxemburgs erstmals systematisch die Frage, wie diese die Beziehung zwischen kapitalistischen Klassen und nichtkapitalistischen Gesellschaften analysiert. Herausgekommen ist alles in allem ein spannendes Buch, das teils neue und belebende Perspektiven auf eine Vielzahl politökonomischer Transformations‑ und Krisenprozesse der Gegenwart eröffnet.
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Rubrizierung: 5.465.455.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Ingo Schmidt (Hrsg.): Rosa Luxemburgs "Akkumulation des Kapitals" Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38312-rosa-luxemburgs-akkumulation-des-kapitals_44782, veröffentlicht am 23.04.2015. Buch-Nr.: 44782 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken