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Tissy Bruns

Republik der Wichtigtuer. Ein Bericht aus Berlin

Freiburg i. Br./Basel/Wien: Herder 2007; 224 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-451-28715-2
„Am Ende verblöden wir alle wenigstens gemeinsam.“ Mit diesem Satz des allzu früh verstorbenen SZ-Journalisten Herbert Riehl-Heyse bringt die Leiterin des Berliner Parlamentsbüros des Tagsspiegels den allgemeinen Qualitätsverlust in der Berichterstattung über Politik auf den Punkt. Die Inszenierung sei wichtiger geworden als die Inhalte – und das gelte auch für die Politik selbst. Auch in Berlin sei die Distanz zum Normalbürger groß. Das Raumschiff Bonn heiße jetzt Berlin Mitte. „Die öffentliche Kaste hat sich auf neue Weise selbst eingekapselt: als Misstrauensgesellschaft“ (50): Misstrauen von Politikern gegenüber Journalisten und umgekehrt, aber sicher auch von beiden gemeinsam gegenüber dem Volk. Die Vielfalt der Medien in der Hauptstadt, die neuen digitalen Kommunikationstechniken, die ständige Suche nach Themen machten Aufmerksamkeit zu einem knappen und damit wertvollen Gut. Eine Folge sei die Verflachung des Journalismus. Es gehe um die schnelle Nachricht, Personen seien wichtiger als die Sache, in der Politik selbst, aber auch zunehmend in der Presse. Politik sei eine Ware unter vielen geworden. Dies führe zu einem „Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust, den die Medien der Politik täglich vorhalten, der sie aber längst selbst erreicht hat“ (61). Dieser Prozess werde nicht zuletzt von der Politik selbst aktiv befördert. Bruns weiß das im Rahmen einer aufschlussreichen Gegenüberstellung von Schröder und Merkel sehr gut zu illustrieren. Letztlich kann niemand sagen, wohin diese Entwicklung führen wird. Fest steht jedoch: „Die Massenmedien verändern die politische Kommunikation so massiv, dass sie die Politik und die Politiker selbst verändern.“ (116) Und um dieser Verantwortung gerecht zu werden, plädiert Bruns eindringlich für eine Rückkehr zu klaren, altmodischen journalistischen Maßstäben jenseits von Rankings und Quoten. Entscheidend sei dabei der direkte Kontakt mit den Menschen, für die Journalisten schreiben. Raus aus dem Raumschiff, heißt also die Devise. Man kann ihr nur zustimmen.
Walter Rösch (WR)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.333 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Walter Rösch, Rezension zu: Tissy Bruns: Republik der Wichtigtuer. Freiburg i. Br./Basel/Wien: 2007, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/28198-republik-der-wichtigtuer_33164, veröffentlicht am 29.07.2008. Buch-Nr.: 33164 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken