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Hans Michael Heinig / Christian Walter (Hrsg.)

Religionsverfassungsrechtliche Spannungsfelder

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; VII, 314 S.; brosch., 74,- €; ISBN 978-3-16-153794-3
Das Ziel des Sammelbandes ist es, in sieben Abschnitten „die Bipolarität innerhalb einzelner Zentralfragen des Verhältnisses von Staat und Religion aufzuspannen“ (3). Im Teil „Politik – Gesellschaft – Religion“ schlägt Christoph Möllers vor, die Ausdifferenzierung von Politik und Religion nur als gedanklichen Ausgangspunkt zu bemühen, dabei jedoch nicht stehenzubleiben, sondern ihn kontextuell anzureichern. Vor allem übt Möllers aus freiheitstheoretischer Perspektive Kritik an einem staatlichen Neutralitätsverständnis, das zum Beispiel religiöse Überzeugungen aus dem politischen Prozess ausschließe oder diesen „paternalistisch“ als ein Prinzip „objektivier[e]“ (21), um etwa Konflikte mit religiösen Symbolen in staatlichen Einrichtungen ohne Einbezug der Betroffenen zu lösen. Dagegen setzt Möllers auf den demokratischen Prozess, in dem selbst das Verhältnis von Politik und Religion bestimmt werden müsse. Im Abschnitt „Institution und Individuum“ betrachtet Stefan Magen die „Janusköpfigkeit“ (96) von Institutionen wie den Religionsgemeinschaften. Sie stellten für Individuen einerseits eine Form der Koordination und Kooperation dar, andererseits könnten sie zugleich auch in Konflikt mit den Interessen der Einzelnen geraten, wie die Beispiele der Frauenweihe in theologischer Hinsicht oder Probleme beim Arbeitsrecht zeigten. Magen betont dabei, dass man die entstehenden Konflikte grundrechtlich sowohl „vom Einzelnen […] oder vom Ganzen“ (107) her denken könne, wobei er Tendenzen in der Rechtswissenschaft, den Interessen der Individuen ein stärkeres Recht einzuräumen, skeptisch gegenübersteht, weil die positivere Seite von Institutionen, gerade auch für die individuelle Religionsfreiheit, aus dem Blick gerate. Im Abschnitt „Soziale Integration und Minderheitenschutz“ plädiert Ino Augsberg für einen „reflexiven Rechtspluralismus“ (126), der religiösen Minderheiten einen weiten Raum zur Selbstverwirklichung ihrer religiösen Vorschriften lasse. Die Grenze müsse dort gezogen werden, wo Religionsgemeinschaften den verfassungsrechtlichen Ordnungsrahmen zu beeinträchtigen versuchen. Auf diese Weise erhofft sich Augsberg eine soziale Integration gerade durch die Zulassung von Differenz. Weitere Beiträge etwa zur Interaktion zwischen nationalem, europäischem und internationalem Religionsrecht oder zum Verhältnis von Freiheit und Gleichheit zeugen von den vielfältigen Spannungen im Verhältnis von Politik und Religion, die die anspruchsvollen und lesenswerten Aufsätze gekonnt abdecken.
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Rubrizierung: 2.322.352.232.3134.3 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Hans Michael Heinig / Christian Walter (Hrsg.): Religionsverfassungsrechtliche Spannungsfelder Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38725-religionsverfassungsrechtliche-spannungsfelder_47269, veröffentlicht am 06.08.2015. Buch-Nr.: 47269 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken