Skip to main content
Iwo Amelung / Thomas Schreijäck (Hrsg.)

Religionen und gesellschaftlicher Wandel in China

München: iudicium 2012 (Frankfurt East Asian Studies Series 2); 168 S.; kart., 25,50 €; ISBN 978-3-86205-383-4
Der Band ist über weite Teile einem Randphänomen gewidmet: dem Christentum in China. Die Einschätzung der Herausgeber, wonach „das Christentum im Kontext der Suchbewegungen nach einem neuen geistigen und moralischen Fundament stärkste Religionsgemeinschaft in China werden könnte“ (12 f.), ist angesichts von verschiedenen Angaben, nach denen etwas über ein Prozent der Bevölkerung christlich ist, überaus optimistisch. Auch fehlt eine Begründung für die Sinnhaftigkeit einer solchen Entwicklung, ist es doch keineswegs so, dass in China keine eigenen Werte, Religionen und Traditionen existieren würden. Iwo Amelung und Thomas Schreijäck weisen aber selbst darauf hin, dass schon die jesuitischen Missionare im 16. und 17. Jahrhundert sich „nach Kräften [bemühten], den Konfuzianismus zu ‚ent‑religionisieren‘“ (9), um Platz für ihre eigene Religion beanspruchen zu können. Bei der Lektüre dieses Bandes, in dem das aus chinesischer Sicht marginale Christentum so sehr in den Mittelpunkt gerückt wird, kann man sich nicht vollständig des Eindrucks erwehren, dass dieses Denken seine Spuren hinterlassen hat. Informiert wird in den Beiträgen über die historische Entwicklung der christlichen Mission und die verschiedenen Manifestationen des Christentums in China. Außerdem beleuchtet Katharina Wenzel‑Teuber auf die Gegenwart bezogen die Wechselwirkungen zwischen Migration und dem Bedürfnis nach (katholischer) Religiosität. Die nüchterne Feststellung der Herausgeber, dass die katholische Kirche „bis heute Schwierigkeiten hat, in der chinesischen Denk‑ und Lebenswelt anzukommen“ (17), spiegelt sich hier eher nicht. Aufschlussreich sind die beiden Beiträge, die originär chinesischen Phänomenen gewidmet sind. So erläutert Clemens Büttner die Konzeption des Konfuzianismus als Staatsreligion, maßgeblich entwickelt von Chen Huanzhang Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. Dieser definierte den Konfuzianismus als Fundament des chinesischen Staates und sah in einer solchen Staatsreligion in Analogie zum europäischen Christentum einen – eigenen – Modernisierungsfaktor. Einfluss auf die Realpolitik sollte die Religion nicht haben. Philip Clart berichtet über den Niedergang und die Rückkehr der Volksreligion. Wie tief sie in der Bevölkerung verankert ist, zeigt sich daran, dass sie trotz jahrzehntelanger Repression nicht verschwunden ist. Allerdings musste sie sich notgedrungen transformieren und tritt nun eher als traditionelle Kultur auf, wird dafür aber vom kommunistischen Regime zunehmend toleriert. Ein grundlegender Aufsatz über die staatliche Religionspolitik fehlt leider, einige Informationen dazu sind allerdings den Beiträgen zu entnehmen. Der Band geht zurück auf eine Vortragsreihe an der Goethe‑Universität Frankfurt.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.68 | 2.23 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Iwo Amelung / Thomas Schreijäck (Hrsg.): Religionen und gesellschaftlicher Wandel in China München: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36565-religionen-und-gesellschaftlicher-wandel-in-china_44768, veröffentlicht am 02.01.2014. Buch-Nr.: 44768 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken