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Gert Pickel / Oliver Hidalgo (Hrsg.)

Religion und Politik im vereinigten Deutschland. Was bleibt von der Rückkehr des Religiösen?

Wiesbaden: Springer VS 2013 (Politik und Religion); 410 S.; brosch., 34,95 €; ISBN 978-3-531-18344-2
Die religiöse Lage in Deutschland ist mehrdeutig. Einerseits gibt es religiös konnotierte Konflikte (Beschneidung, Einstellungsbedingungen bei der Kirche als Arbeitgeber), andererseits sind Säkularisierungsprozesse zu beobachten, die einen „kontinuierlichen sozialen und politischen Bedeutungsverlust des Religiösen“ (8) implizieren. Diese Untersuchung der religiösen Situation in Deutschland bietet einen soliden aktuellen Überblick, aber nur einige weiterführende Impulse. Zunächst wird die Wiedervereinigung noch einmal in drei Perspektiven rekapituliert. Es folgen vier aktuelle sozialwissenschaftliche Analysen, die angeführt werden durch die klare These von Gert Pickel, dass die Rückkehr des Religiösen weitgehend ein mediales Phänomen sei, während in der Bevölkerung die Entkirchlichung und Säkularisierung voranschreite. Aber auch der neue Atheismus werde überschätzt, vielmehr sei Deutschland durch „religiöse Indifferenz“ (148) gekennzeichnet, wie Anja Gladkich und Gert Pickel schreiben. Weitere vier Beiträge beschreiben die „Islamophobie“ in Deutschland und ihre negativen Implikationen. Die Spannung zwischen beiden Befunden (Indifferenz versus Islamophobie) wird leider nicht analysiert. Es folgen vier Beiträge zum Verhältnis von Kirche und Staat. Interessant sind der erste (Michael Coors) und der letzte (Anna‑Maria Meuth und Max Schulte) Aufsatz, weil sie die Akteursebene in den Blick nehmen. Coors rekurriert auf Augustinus, um eine theologische Würdigung politischen Engagements durch Christen in der Endphase der DDR vorzustellen: es gehe um „vorletzte Dinge“ (28 f.). Meuth und Schulte blicken auf „Mehrfachengagierte“, also auf Christen in der Politik, die einen „flexiblen Umgang mit diesem religiösen Fundament“ (400) pflegen. Auch hier wäre eine tiefere Analyse wünschenswert: Wie verhält sich die theologische Relativierung politischen Engagements zur gelebten Praxis des Glaubens im lokalpolitischen Kontext, die auf Kompromisse zielt?
Volker Stümke (VS)
Dr., evangelischer Theologe, Priv.-Doz. für evangelische Sozialethik, Führungsakademie der Bundeswehr Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Volker Stümke, Rezension zu: Gert Pickel / Oliver Hidalgo (Hrsg.): Religion und Politik im vereinigten Deutschland. Wiesbaden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34594-religion-und-politik-im-vereinigten-deutschland_41563, veröffentlicht am 07.03.2013. Buch-Nr.: 41563 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken