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Gerhard Schwarz / Beat Sitter-Liver / Adrian Holderegger / Brigitte Tag (Hrsg.)

Religion, Liberalität und Rechtsstaat. Ein offenes Spannungsverhältnis

Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2015 (Progress Foundation); 248 S.; brosch., 44,- €; ISBN 978-3-03810-022-5
Religion beschäftigt in ihren vielfältigen Ausprägungen und ihrem Verhältnis zu konkreten sozialen Prozessen wie auch zu normativen Fragen der Moral und Politik weiter die Gemüter in vielen westlichen Gesellschaften. Auf diese Fragen gehen die Autor_innen des Sammelbands ein; ihre Beiträge, bei denen es sich teils um gekürzte Wiederabdrucke handelt, sind in fünf, inhaltlich teils nah beieinanderliegende Abschnitte gruppiert. Zunächst werden die Ambivalenzen und Ambiguitäten derzeitiger Entwicklungen hervorgehoben, die mit zu den gegenwärtigen gesellschaftlichen Konflikten im Umgang mit religiöser Vielfalt führen. Charles Taylor legt dar, wie Religion häufig als ein Sonderfall betrachtet wird, statt dass religiöse Überzeugungen wie andere moralische Ansichten behandelt werden. Bei dieser Behandlung sollte dann auf einen Ausgleich zwischen den Prinzipien von Religionsfreiheit, Gleichberechtigung und dem Recht auf Integration aller „spiritueller Richtungen“ (27) in den politischen Prozess geachtet werden. Beim Themenkomplex „Religion in der Öffentlichkeit“ zeigt Adrian Holderegger einmal mehr auf, wie schwierig es ist, klare Definitionen von Religion und Säkularisierung zu finden. Bedeutender ist hier jedoch der Begriff der Postsäkularität, den Holderegger allerdings nicht unbedingt für empirisch angemessen hält, da er eine säkulare Phase voraussetze, was problematisch sei. Das dahinterstehende „Projekt“ (75), das fordere, „Religionsgemeinschaften als gesellschaftliche Akteure ernst“ zu nehmen und „nicht von der Bühne der Öffentlichkeit zu verdrängen“ (73), sollte jedoch gerettet werden. Sodann verneint Hans Joas im Abschnitt „Religion in der liberalen Gesellschaft“ einerseits die These eines Moralverfalls durch die Säkularisierung. Andererseits äußert er die Sorge, dass „eine Schwächung des Christentums einen der Pfeiler des moralischen und rechtlichen Universalismus schwächt“ (118). Nach Beiträgen zum Thema „Religion und Wirtschaftsordnung“, bei dem zum Beispiel Jörg Baumberger Max Webers These des Zusammenhangs von Protestantismus und Kapitalismus analysiert, schließt der Sammelband mit Artikeln zu „Religion und Rechtsstaat“. Ernst‑Wolfgang Böckenförde vertritt hier die Meinung, die Anerkennung des säkularen Staates einschließlich der Religionsfreiheit durch die Religion sei als eine „Reinigung des Glaubens durch die Vernunft“ (206) aufzufassen, die in einem langen, schwierigen Prozess stattgefunden habe.
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Rubrizierung: 2.232.222.212.2632.642.55.425.43 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Gerhard Schwarz / Beat Sitter-Liver / Adrian Holderegger / Brigitte Tag (Hrsg.): Religion, Liberalität und Rechtsstaat. Zürich: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38834-religion-liberalitaet-und-rechtsstaat_47560, veröffentlicht am 03.09.2015. Buch-Nr.: 47560 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken