Detlef Pollack / Gergely Rosta

Religion in der Moderne. Ein internationaler Vergleich

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2015 (Religion und Moderne 1); 542 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-593-50175-8
Die Säkularisierungstheorie mit ihrer zentralen Annahme, gesellschaftliche Modernisierung führe weltweit zu einem Bedeutungsverlust von Religion, stößt seit Längerem auf erhebliche Kritik. Teils richten sich die Einwände in methodologischer Hinsicht gegen deren modernisierungstheoretische Prämissen, teils wird empirisch eine aktuelle Zunahme spiritueller Religiosität jenseits kirchlicher Bindungen behauptet. Die im Rahmen des Exzellenzclusters „Religion und Politik: Religion in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“ an der Universität Münster entstandene Untersuchung wendet sich ausdrücklich gegen modisch gewordene Verabschiedungen der Säkularisierungstheorie, die vielfach auf einem selektiven Umgang mit empirischen Daten beruhen. Detlef Pollacks und Gergely Rostas vergleichende Studie über die dominanten Tendenzen des religiösen Wandels in modernen Gesellschaften beeindruckt gleichermaßen durch sorgfältige theoretische Fundierung wie empirische Breite. Im vorangestellten theoretischen Rahmen erläutern die Autoren einerseits zentrale Merkmale der Moderne – hier primär Prinzipien der funktionalen Differenzierung – und andererseits einen Religionsbegriff, der religiöse Sinnformen funktional auf das Kontingenzproblem bezieht. Vereinfacht gesprochen machen Religionen das Transzendente, auf das sie sich richten, „zugleich auch wieder zugänglich, erfahrbar und kommunikabel“ (66). Im empirischen Teil werden drei Forschungsfragen verfolgt: Vereinbarkeit von funktionaler Differenzierung und Religion, Folgen religiöser Entinstitutionalisierungen sowie Auswirkungen religiöser Pluralisierungen. Die individuelle Religiosität wird anhand von Indikatoren erfasst, die drei Dimensionen abbilden: konfessionelle Zugehörigkeit, rituelle Praktiken und religiöse Überzeugungen. Die vergleichenden Untersuchungen erfolgen auf Basis länderspezifischer Fallstudien, die jeweils generelle religionssoziologische Annahmen aufgreifen – so den religiösen Niedergang in Westeuropa, die Renaissance des Religiösen in Osteuropa und spezifische Formen religiösen Wandels in den USA, in Südkorea und Brasilien. Herangezogen wird eine breite Datengrundlage: Kirchenstatistiken, Statistische Jahrbücher und zahlreiche repräsentative Bevölkerungsumfragen (unter anderem World Value Survey, European Value Study, International Social Survey Programme). Im Resümee ihrer Befunde sehen die Autoren die Erklärungskraft der Säkularisierungstheorie grundsätzlich bestätigt: „Auch wenn Religion und Moderne [...] durchaus kompatibel sind [...], ist die Wahrscheinlichkeit negativer Konsequenzen der Modernisierung auf Religion relativ hoch.“ (484)
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Rubrizierung: 2.232.352.612.622.682.64 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Detlef Pollack / Gergely Rosta: Religion in der Moderne. Frankfurt a. M./New York: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39438-religion-in-der-moderne_47574, veröffentlicht am 25.02.2016. Buch-Nr.: 47574 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken

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