
Religion im säkularen Verfassungsstaat
Den Auftakt einer neuen Schriftenreihe zum Thema Politik und Religion macht ein Beitrag von Gottfried Küenzlen, in dem er den Vorgang der Säkularisierung in Form einer Trennung von Staat und Kirche bzw. Religion als Notwendigkeit auffasst, um die „Sicherung des bürgerlichen Friedens“ (10) zu gewährleisten. Zugleich sei der säkulare Staat von vorpolitischen Voraussetzungen abhängig, die er – wie es das Böckenförde‑Theorem schon lange aussagt – nicht aus sich selbst heraus bereitstellen könne. Angesichts der Schwächung der Kirchen könne dies aber auch nicht mehr das Christentum sein. Es bleibe zwar der „Grundwert ‚Würde der Menschen‘“ (15) als Möglichkeit eines vorpolitischen Fundamentes. Doch ist sich der Autor unsicher, wie dieser Wert ohne Bezug auf christliche Traditionen zukünftig verankert bleiben soll. Kathrin Groh wiederum skizziert in ihrem Beitrag auf informative Art die Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts. Von zentraler Bedeutung sei für die neu gegründete Bundesrepublik die Übernahme des Staatskirchenrechts aus der Weimarer Reichsverfassung gewesen. Damit sei, so Groh, ein religiös neutraler Staat mit einer „hinkende[n] Trennung“ oder „freundliche[n] Nähe“ (25) zwischen Staat und Kirche konstruiert worden. Dies habe konkret für die Staatskirchenrechtslehre zunächst nach der „Koordinationslehre“ (46) bedeutet, dass Staat und Kirche als gleichrangig angesehen worden seien. Seit Ende der 1960er‑Jahre habe sich die „Subordinationslehre“ (27) durchgesetzt, nach der der Staat der Kirche übergeordnet sei. Demnach habe sich die Kirche an die für alle geltenden Gesetze zu halten. Nach Ansicht von Groh hat aber der umfassendste Bedeutungswandel des Staatskirchenrechts in der Betonung des Grundrechts der Religionsfreiheit gelegen, der die Kirchenartikel aus der Weimarer Reichsverfassung heutzutage überlagere. Ob dies begrüßenswert sei – wie es der sogenannte Religionsverfassungsrechts‑Ansatz meint –, darüber entspannt sich seit einigen Jahren eine Debatte. Groh spricht sich an dieser Stelle für diesen Ansatz aus, denn nur dieser könne eine „Heimstatt“ (30) für alle religiösen Bürger_innen bieten. Weitere interessante Beiträge in diesem Sammelband behandeln zum Beispiel das Menschenrecht auf Religionsfreiheit aus der Perspektive kirchlicher Positionen oder das spannungsreiche Verhältnis zwischen muslimischen Identitäten und modernem Verfassungsstaat.