
Religion als Zündstoff. Gesellschaftliches und politisches Engagement in den Niederlanden seit 1945
Die Rolle der Religion in den modernen westlichen Gesellschaften – hier exemplarisch anhand der Nachkriegsgeschichte der Niederlande illustriert – ist von einem erheblichen Widerspruch durchzogen. Einerseits stehen sie in dem Ruf, einem anhaltenden Säkularisierungstrend zu unterliegen, andererseits berufen sich immer mehr zivilgesellschaftliche, politische und sonstige Gruppen auf die Religion als Legitimationsbasis ihres Tuns. Vor diesem Hintergrund fragen die Autor_innen nach einer neuen religionsgeschichtlichen Bewertung der niederländischen Geschichte, wobei sie sich an einer Studie Thomas Großböltings orientieren, in der dieser die vermeintlich „stetige Säkularisierung der Moderne“ in Deutschland untersucht hatte: „Dieser Herausforderung, neue Wege der Religionsgeschichte abseits der Säkularisierungsthese zu entwickeln, möchte auch der vorliegende Band sich stellen, indem er das Verhältnis von gesellschaftlichem und politischem Engagement und Religion [...] in den Blick fasst.“ (9) Die in drei Themenblöcken zusammengefassten Beiträge zeichnen ein überaus disparates Bild der als gesamtgesellschaftlich erwünscht ausgegebenen Rolle der Religion. Die Kontroversität der inner‑ und außerhalb der Religionsgemeinschaften geführten Debatten konterkariert dabei die quantitativ zu beobachtende Abnahme zivilgesellschaftlicher Organisationen mit einer ausgeprägten konfessionellen Identität. „Das ungelöste Verhältnis zwischen individuellen religiösen Ansichten und ihrer Durchdringung gesellschaftlicher Verbände“, so die Herausgeber zusammenfassend, „ist auch heute noch eine Quelle lebhafter Auseinandersetzungen“ (14). Wo diese wiederum überall verortet sein können, ob in den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, den Schulen oder den politischen Parteien, zeigen die einzelnen, auf konkrete Fallbeispiele ausgerichteten Beiträge eindrücklich.