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Gerolf Hanke

Regionalisierung als Abkehr vom Fortschrittsdenken? Zur Unvereinbarkeit von starker Nachhaltigkeit und klassischer Modernisierung

Marburg: Metropolis-Verlag 2014; 146 S.; 19,80 €; ISBN 978-3-7316-1050-2
Magisterarbeit Freiburg; Begutachtung: U. Bröckling, B. Blinkert. – Bietet eine stärker regional ausgerichtete Wirtschaftsweise im Sinne einer „Deglobalisierung“ (13) einen Ausweg aus dem Zwang zum permanenten Wachstum? Gerolf Hankes Ausführungen dazu basieren auf zwei Überlegungen. Erstens: Die Rohstoffe und die Aufnahmekapazität für Schadstoffe seien im geschlossenen System Erde begrenzt, was der permanenten Wachstumslogik kapitalistischen Denkens zuwiderlaufe. Zweitens: Auch die Innovations‑ und Selbstoptimierungsstrategien des Homo oeconomicus gelangten an Grenzen, ein Symptom sei etwa die Zunahme „stressbedingter Krankheiten“ (11). Die gegenwärtigen Krisen (Stichworte sind der Klimawandel und die Ressourcenverknappung) könnten angesichts dieser Diagnose als eine Art Katalysator wirken, so Hanke, um die bestehenden Denk‑ und Handlungslogiken schrittweise zu korrigieren: „Welche alten Leitbilder können wie transformiert oder durch zukunftsfähigere ersetzt werden?“ (119) Hanke formuliert drei zentrale Ansätze: Zunächst gelte es, die Vorstellung von Steigerung durch Optimierung zu ersetzen. Anstelle eines permanenten Mehrhabenwollens müsse es gelingen, ein jeweils situationsgerechtes Bemühen um eine ausreichende Versorgung in den Vordergrund zu rücken. Auch am Emanzipationsideal der Aufklärung müsse gerüttelt werden. Es habe zwar, so Hanke, einige Innovationen, wie etwa Demokratisierung oder Säkularisierung, hervorgebracht. Jedoch sei es auch für die Vorstellung eines steuernden Eingreifens des Menschen in die Natur verantwortlich – also für ein Denken, das die gegenwärtige ökologische Krise erst ermöglicht habe. Angesichts einer solchen Andeutung lediglich davon zu sprechen, dass weiterer Diskussionsbedarf bestehe, und nicht weiter zu argumentieren, erscheint dann aber doch etwas schwach. Und schließlich gelte es, so der Autor weiter, die Fortschrittsideologie der Moderne, verstanden als linearen Aufstiegsprozess, zugunsten eines „Modells [der] Anpassung“ (123) zu überwinden. Das wäre dann sehr nahe an dem berühmten Diktum Eduard Bernsteins, wonach ihm der Weg alles, das Ziel indes nichts bedeute. Der von Hanke einleitend artikulierte Optimismus, wonach die letzte Dekade aufgrund gehäuft auftretender ökologischer und sonstiger Krisen zu einem Umdenken geführt und „erhebliche Resonanz“ (9) im politischen Diskurs wie auch im Bewusstsein der Menschen ausgelöst habe, dürfte indes an der Sachlage vorbeigehen. Dennoch ist ein akuter Rede‑ und Handlungsbedarf unbestreitbar.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.422.22.262 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Gerolf Hanke: Regionalisierung als Abkehr vom Fortschrittsdenken? Marburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37124-regionalisierung-als-abkehr-vom-fortschrittsdenken_45204, veröffentlicht am 28.05.2014. Buch-Nr.: 45204 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken