Reformpolitik in Deutschland und Frankreich. Wirtschafts- und Sozialpolitik bürgerlicher und sozialdemokratischer Regierungen seit Mitte der 90er Jahre
Diss. Heidelberg; Gutacher: W. Merkel; H.-J. Puhle. – Der Autor untersucht die Reformfähigkeit in der französischen (1993-2005) und deutschen (1994-2005) Wirtschafts- und Sozialpolitik. Als zentrales Erkenntnisinteresse benennt er die Identifikation der „Gründe für eine eventuelle Reformabstinenz, eine nicht-adäquate Problemanalyse und eine mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der jeweiligen Regierungen“ (18). Dazu werden zunächst der wirtschafts- und sozialpolitische Problemkontext, mögliche Problemursachen und entsprechende Reformvorschläge diskutiert. Auf dieser Grundlage entwickelt der Autor einen spezifischen Reformbegriff, der sich nicht auf die Veränderung des Status quo beschränkt, sondern – inhaltlich gehaltvoll – auch die Eignung zur Problemlösung umfasst. Daraus werden drei Kategorien abgeleitet (Reformbereitschaft, Problemangemessenheit, Durchsetzungsfähigkeit), welche die folgenden empirischen Politikfeldanalysen zur Tätigkeit der Regierungen Balladur, Juppé, Jospin, Raffarin, Kohl und Schröder anleiten. Der Autor kommt zu der jederzeit nachvollziehbaren These, dass die Reformfähigkeit von Regierungen nicht alleine mit der klassischen Parteiendifferenz- und Kapazitätsthese erklärt werden kann. Unabhängig vom institutionellen Kontext sei die Bildung heterogener Reformkonstellationen von entscheidender Bedeutung. Im Unterschied zu einer unilateralen Reformpolitik gewährleiste die Bildung von Koalitionen mit oppositionellen Akteuren die nachhaltige Durchsetzungsfähigkeit unbeliebter aber notwendiger Maßnahmen. Die Bildung einer Unterstützungskoalition begünstigt demnach die Reformfähigkeit, auch wenn die Regierung theoretisch darauf verzichten könnte. Weder die parteipolitische Färbung noch die institutionelle Struktur des Regierungssystems sind laut Egle hauptverantwortlich für die spezifische Reformfähigkeit. Wer Demokratie als optional und nicht primär funktional begreift, wird mit den hier gewählten Maßstäben seine Probleme haben. Trotzdem leistet die Arbeit einen empirisch gehaltvollen, stringent argumentierenden und innovativen Beitrag zur Debatte.