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Jacek Kurczewski (Hrsg.)

Reconciliation in Bloodlands. Assessing Actions and Outcomes in Contemporary Central-Eastern Europe

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014 (Polish Studies in Culture, Nations and Politics 3); 352 S.; 55,95 €; ISBN 978-3-631-64502-4
Die massiven Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts im östlichen Europa prägen bis heute die politische Kultur in der Region – in den vom US‑amerikanischen Historiker Timothy Snyder sogenannten Bloodlands – und das Verhältnis der Länder zueinander. Gerade in den vergangenen Jahren finden sich aber auch zahlreiche Beispiele für Aussöhnungsprozesse, etwa im deutsch‑polnischen Verhältnis. Entsprechend der Herkunft der Beitragenden bilden polenbezogene Analysen denn auch den Schwerpunkt des Bandes. Die im Titel aufgeworfene weitere ostmitteleuropäische Perspektive wird nur in wenigen Texten dezidiert eingelöst. Größtenteils wurden die Beiträge bereits in polnischer Sprache veröffentlicht, nun für ein größeres Publikum überarbeitet und in (häufig recht holpriger) englischer Übersetzung aufbereitet. Es dominieren soziologische, anthropologische und psychologische Ansätze, die von der Warschauer Soziologin Joanna Kurczewska in programmatischer Perspektive eingeführt werden. Sie richten sich in ihren Untersuchungen besonders auf die Art und Weise, wie durch bestimmte öffentliche Rituale „emotionale Gemeinschaften“ (40) konstruiert werden, die wiederum zu Aussöhnungsprozessen beitragen können. Dies kann auf politischer Ebene geschehen – etwa beim gemeinsamen Gedenken polnischer und russischer Politiker anlässlich des 70. Jahrestages des Massakers von Katyń im April 2010 –, aber auch auf kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene. Besonders für diese beiden Felder werden im Band zahlreiche Beispiele behandelt. Józef Szymeczek betrachtet die Rolle protestantischer Gruppen in Versöhnungsprozessen in den deutsch‑polnisch‑tschechischen Beziehungen. Er schreibt diesen einen „immensen Einfluss“ (147) zu, da von ihnen Themen aufgegriffen würden, die in den ostmitteleuropäischen Gesellschaften sonst lange Zeit tabuisiert gewesen seien – etwa die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg, hier am Beispiel des Olsagebietes / Teschener Schlesiens thematisiert. In zwei Beiträgen wird die Frage der polnisch‑jüdischen Beziehungen behandelt. Paweł Spiewak konstatiert ein gestiegenes Interesse an diesen Fragen; Michał Bilewicz, Anna Stefaniak und Marta Witkowska bemängeln demgegenüber das Fortbestehen zahlreicher stereotyper Zuschreibungen und sozialer Distanz besonders unter jungen Polen. Alternative Bildungsangebote verschiedener Nichtregierungsorganisationen hätten bisher nur teilweise Abhilfe schaffen können. Versöhnung bleibt ein fortwährender Prozess.
{MUN}
Rubrizierung: 2.612.234.22 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Jacek Kurczewski (Hrsg.): Reconciliation in Bloodlands. Frankfurt a. M. u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38900-reconciliation-in-bloodlands_47323, veröffentlicht am 24.09.2015. Buch-Nr.: 47323 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken