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Rechtspopulismus und Medien. Das Ringen um Deutungshoheit

20.03.2017
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Anke Rösener, Diplom-Politologin

Erschienen am 20. März 2017, zulezt aktualisiert im Februar 2020.

Das Erstarken rechtspopulistischer Strömungen und Parteien ist spätestens seit dem Wahlsieg von Donald Trump wieder stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte gerückt und hat durch die vergangenen Wahlen unter anderem in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland neue Brisanz für Europa. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen die rhetorischen und kommunikativen Strategien, mit denen Rechtspopulisten versuchen, antiliberales und rassistisches Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft salonfähig zu machen. Hierbei stellt sich die Frage nach der Bedeutung der sozialen Medien, die wiederum nicht losgelöst vom generellen Trend der Digitalisierung und der weitreichenden Ökonomisierung unserer Gesellschaft beantwortet werden kann. Diese Wechselwirkungen aus verschiedenen Perspektiven näher zu betrachten, ist das Ziel unseres Themenschwerpunktes.

Dirk Burmester befasst sich eingehend mit den Folgen des Bedeutungsverlusts der klassischen Medien und der Rolle der sozialen Medien als Arena für den Kampf um die Deutungshoheit über die gesellschaftliche Wirklichkeit. Wie erfolgreich rechtspopulistische Politiker und Parteien sich moderne Technologien zunutze machen, erläutert auch Florian Hartleb, der sich mit den teils hinterhältigen Mobilisierungsstrategien von Populisten auseinandersetzt. Julia Ebner zeigt in Radikalisierungsmaschinen eindrücklich, wie extreme Bewegungen mithilfe der neuen Technologien Gesellschaften manipulieren und polarisieren. Stephan Russ-Mohl fragt nach den Ursachen für die Vertrauenskrise des Journalismus und erörtert aus medienökonomischer Sicht die Risiken moderner Kommunikationstechnologien. Mit der Glaubwürdigkeitskrise der Medien befasst sich auch Uwe Krüger. Er erklärt, warum Transparenzoffensiven kein ausreichendes Mittel sind, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Der Schweizer Publizist und Medienwissenschaftler Matthias Zehnder vertritt in seinem Buch „Die Aufmerksamkeitsfalle“ die These, dass die Boulevardisierung medialer Inhalte zu einer Boulevardisierung der Politik und damit letztendlich zu Populismus führt.

In dem Digirama „Einbinden oder ausgrenzen?" sind Berichte und Interviews versammelt, die sich mit verschiedenen Erscheinungsformen von Populismus sowie seinem Verhältnis zur Demokratie befassen. Ergänzend wird das Verhältnis von Medien, Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft in einer Auswahlbibliografie „Transformation der Medien: Fluch oder Segen?“ beleuchtet. Eine weitere Literaturauswahl ist den Ursachen und Wirkungen des Rechtspopulismus gewidmet. Zwei Neuerscheinungen über dessen Ausprägungen in Deutschland und den Umgang mit der AfD stellen wir in einer Sammelrezension vor. Am Beispiel der Medienstrategie der AfD erklärt Johannes Hillje, wie Rechtspopulisten unter Nutzung der sozialen Medien mit der Propaganda 4.0 eine neue Form der Kommunikation etabliert haben. Aufschluss über Erfolgsrezepte der Rechtspopulisten geben außerdem zwei Studien über die Schweiz und die Niederlande. Am konkreten Beispiel des Konflikts über Diesel-Fahrverbote in Stuttgart fragen Peter Bescherer und Luzia Sievi nach der Rolle der Moral bei der Selbstdarstellung rechtspopulistischer Parteien. Mit der Rezension des Essays „Was ist Populismus“ von Jan-Werner Müller beleuchten wir den theoretischen Kontext des Themas. Mit den Mitteln der Logik seziert Pascal Zorn in seinem Buch die argumentativen Strategien von Rechtspopulisten und bereichert nach Ansicht unseres Rezensenten Dirk Burmester die Debatte über den Umgang mit Populisten. Zudem stellen wir das Buch „Angriff der Antidemokraten“ von Samuel Salzborn vor, der aus ideengeschichtlicher Perspektive auf die Debatten über den Rechtspopulismus blickt sowie den Essay „Das Gespenst des Populismus“ von Ralf Stegemann, der eine grundsätzlichere Auseinandesetzung im Sinne einer Selbstkritik des Liberalismus fordert. Drei in ihrem Anspruch und Stil ganz unterschiedliche Werke zum Thema Populismus stellt Jan Achim Richter in dem Literaturbericht „(Rechts)populismus: Herausforderung für die Forschung“ ausführlich vor. Timo Lochocki nimmt in seinem Buch „Die Vertrauensformel“ die Versäumnisse der Volksparteien seit 2015 in den Blick und entwirft mögliche Lösungsansätze, wie diese ihre Wähler*innen wieder an sich binden können.

Die gewalthaften Ausschreitungen rechter und rechtextremer Gruppen in Chemnitz im Spätsommer 2018 offenbarten eine neuen Qualität rassistischer Mobilisierung, die Bruno Heidlberger in seiner Analyse auf die Frage zuspitzt: Was wird aus unserer offenen Gesellschaft? Der gerade auch in jenen Tagen offen zur Schau getragene Antismetismus findet seine stärkste Verbreitung im Internet, so der zentrale Befund einer an der TU Berlin unter Leitung von Monika Schwarz-Friesel durchgeführten Langzeitstudie „Antisemitismus 2.0“. In seinem Essay „Spielarten des Antisemitismus und der Hass im Netz“ stellt Vincent Wolff die Studie in den breiteren Kontext der Debatte. In einem weiteren Essay betrachtet Georg Seeßlen das Phänomen Donald Trump aus kultursoziologischer Perspektive. Dass Populismus nicht an bestimmte Themen gebunden ist, zeigen Klaus Poier et al. mit ihrer Medienanalyse von Parteien in nationalen Wahlkämpfen in fünf europäischen Staaten. Zu den weiteren Rezensionen, die das Thema abrunden, zählen unter anderem der Band „Global Rise of Populism“ von Benjamin Moffitt, Carolin Emckes Buch „Gegen den Hass“, Harald Welzers Plädoyer „Wir sind die Mehrheit. Für eine offene Gesellschaft“, der Sammelband Narrative des Populismus oder der von Lukas Boehnke et al. herausgegebene Band über die Herausforderungen des Rechtspopulismus für die politische Bildung.

 

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