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Harry Waibel

Rechtsextremismus in der DDR bis 1989

Köln: PapyRossa Verlag 1996 (Hochschulschriften 11); 289 S.; 34,- DM; ISBN 3-89438-109-4
Diss. Berlin, Fachbereich Kommunikations- und Geschichtswiss.; Gutachter: W. Benz, G. Doerry. - Zeigten Jugendliche in der DDR rechtsextremistische Einstellungen? Wenn ja, wie und wo, bzw. warum verfügte die "'antifaschistische' DDR über keine wirksamen, politischen und ideologischen Rezepte gegen diese Entwicklung" (2)? Waibel hat zu diesen Fragestellungen eine bemerkenswerte Vielzahl an Fakten zusammengetragen, die er aus umfangreichen Archivstudien gewonnen hat. Zur Verfügung standen ihm Dokumente unter anderem des MfS, der FDJ und der SED. Die registrierten Vorfälle, die von der Verwendung nationalsozialistischer Symbolik bis hin zu Gewalttaten reichen, faßt Waibel unter den Kategorien "neofaschistisch", "antisemitisch", "antikommunistisch" und "xenophobisch", "rassistisch" zusammen. Bei der Darbietung der aus den Akten gewonnenen Erkenntnisse wird nicht immer klar, ob und warum ein Ereignis tatsächlich als rechtsextremistisch einzuschätzen ist. Zwar konstatiert der Autor, "die kritische Auseinandersetzung mit den Quellentexten ermöglichte die Dechiffrierung der Quellencodes und produzierte so eine Distanz zu den sprachlich normierten Quellentexten" (22 f.). Den Nachweis der kritischen Distanz bleibt er jedoch in einigen Fällen schuldig. Die Analyse der Ursachen des Rechtsextremismus bleibt bei der Darstellung der generell repressiven politischen Strategie der DDR-Führung gegenüber jeglicher Form von Opposition sowie des die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit prägenden "autoritären Antifaschismus" stehen. Desweiteren beschreibt Waibel den im Antizionismus verborgenen Antisemitismus und nationalistische Tendenzen in der Staatsideologie. In Richtung auf eine tiefergehende Analyse weisen lediglich Hinweise auf Adornos "Studien zum autoritären Charakter". Der Autor kommt zu dem Schluß, daß "die politische Führung [...] und ihre spezifischen Vorstellungen von der 'Bewältigung' der nationalsozialistischen Vergangenheit Teil des Problems waren, das es zu lösen galt" (228). Inhaltsübersicht: 1. Neofaschistische Einstellungen und Gewalttaten: 1.1. Neofaschistische Ereignisse vor 1961; 1.2. Neofaschistische Ereignisse bis 1989; 1.3. Überfall auf ein Rockkonzert in der Zionskirche; 1.4. Antisemitische Einstellungen und Gewalttaten; 1.5. Militanter Antikommunismus. 2. Xenophobische Einstellungen und Gewalttaten: 2.1. Zur Situation der Vertragsarbeitskräfte; 2.2. Xenophobische Ereignisse bis 1989; 2.3. Xenophobische Ereignisse bei Auslandsreisen; 2.4. Rassistische Ereignisse. 3. Ursachen des Rechtsextremismus: 3.1. Historische, ideologische und politische Bedingungen; 3.2. Autoritärer Antifaschismus; 3.3. Linker Antizionismus als sublimierter Antisemitismus; 3.4. Nationalismus und Vaterländische Politik.
Julia von Blumenthal (JB)
Prof. Dr., Institut für Sozialwissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin.
Rubrizierung: 2.313 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Julia von Blumenthal, Rezension zu: Harry Waibel: Rechtsextremismus in der DDR bis 1989 Köln: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/1085-rechtsextremismus-in-der-ddr-bis-1989_1050, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 1050 Rezension drucken