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Lorenz Knorr

Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Deutsches Militär - von Massenmördern geprägt

Frankfurt a. M.: Verlag für Akademische Schriften 1998; 270 S.; 29,50 DM; ISBN 3-88864-265-5
Ist die Bundeswehr rechtsextremistisch orientiert? Oder sind die wiederholt zu verzeichnenden einschlägigen Vorfälle und Äußerungen die Ausnahme? Knorr entwirft das Bild einer auf Tradition der Wehrmacht pochenden Bundeswehrführungselite, deren erste Protagonisten ein eigenes Interesse daran hatten, die Wehrmacht vom NS–Regime abzuheben und so in ein unschuldiges Licht zu stellen. Daß die Bundeswehr 1955 mit ehemaligen Wehrmachtsoffizieren aufgebaut worden ist, gehört zu den historischen Grundtatsachen. Darauf aufbauend entwickelt sich für den Autor beinahe schon zwangsläufig die militärstrategische und politische Grundhaltung der führenden Offiziere: Die Bundesrepublik wird zum Bollwerk gegen den Bolschewismus, ganz in der Linie des antikommunistischen Feindbildes der "Hitler–Generale" bis 1945. So richtig die steten Hinweise auf diese Traditionen sind, so bedenklich ist aber auch die Pflege der großen Verschwörungstheorie (von der Knorr die Repräsentanten der Inneren Führung unter Baudissin allerdings ausnimmt): die Bundeswehr als Hort des potentiellen Rechtsextremismus, eine Armee, die sich auch mehr als 40 Jahre nach ihrer Gründung mehr um nationalistisch suspekte Traditionen kümmert als um ihre demokratische Fortentwicklung, und damit an den politischen Realitäten vorbei lebt. Bemerkenswert unkritisch hingegen bleibt Knorr gegenüber der ehemaligen DDR–Elite, gewissermaßen dem antikapitalistischen Pendant zur Bundesrepublik: "Ob man die Schriften des DDR–Ministerpräsidenten H. Modrow liest oder etwa die eines Kommandeurs der Grenztruppen, H. Fricke, stets ist man mit Menschen konfrontiert, die sich dem humanen Erbe der Deutschen verpflichtet wußten und wissen, die trotz ihrer Kritik an vielen Ereignissen in der DDR ihrer sozialistischen Überzeugung und ihrem antifaschistischen Ethos treu blieben." (185) Viele der angesprochenen Punkte sind nachdenkenswert, wie etwa die mitunter seltsam anmutende Auswahl der Bundeswehrkasernennamen oder die Besinnung auf sogenannte soldatische Tugenden, wie sie immer wieder in der Bundeswehrgeschichte eingefordert wurden. Allerdings provoziert Knorr, dessen politische Karriere in der Sozialistischen Jugend in Eger noch vor dem Zweiten Weltkrieg begann, mit seiner engagierten Argumentation den Eindruck, als könne er sich ebensowenig von ideologischen Rahmenbedingungen lösen, wie die von ihm vehement kritisierte "erzkonservative" Politik der Kohl–Regierung, die - so Knorr - wiederum durch die in der Wehrmachtstradition stehenden Generale maßgeblich beeinflußt wurde.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.324 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Lorenz Knorr: Rechtsextremismus in der Bundeswehr. Frankfurt a. M.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/7488-rechtsextremismus-in-der-bundeswehr_9974, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9974 Rezension drucken