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Duco Hellema / Friso Wielenga / Markus Wilp (Hrsg.)

Radikalismus und politische Reformen. Beiträge zur deutschen und niederländischen Geschichte in den 1970er Jahren

Münster u. a.: Waxmann Verlag 2012 (Niederlande-Studien 53); 214 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-8309-2751-8
Von den „langen 1970er‑Jahren“ spricht Herausgeber Duco Hellema, das heißt „von einer längeren, durch gesellschaftliche Protestbewegungen, politische Verwirrung und Krisen gekennzeichneten Periode, die 1966‑1967 einsetzte und erst Anfang der 1980er‑Jahre auslief“ (25 f.). Zwar gelten die 1960er‑Jahre im öffentlichen Bewusstsein als das Jahrzehnt der großen politisch‑gesellschaftlichen Umwälzungen der Nachkriegszeit, doch tatsächlich habe sich vieles, was mit diesen Jahren in Verbindung gebracht werde, erst in den 1970er‑Jahren vollzogen – weshalb dieses Jahrzehnt im Hinblick auf die gesellschaftlichen Reformen das wichtigere sei, lautet die These der Herausgeber. Sie vergleichen die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland und den Niederlanden und stellen dabei einige Übereinstimmungen fest. In beiden Ländern habe es eine Welle der Reformfreude und des Radikalismus gegeben, die zugleich konservative Gegenkräfte geweckt habe. Es seien überwiegend identische politische Themen zur Sprache gekommen, wie etwa die soziale Sicherheit, Mitbestimmung, Emanzipation der Frau oder der Protest gegen den Vietnamkrieg. In beiden Ländern seien reformwillige Koalitionen angetreten, in der Bundesrepublik 1969 unter der Führung der SPD und in den Niederlanden 1973 unter der Partij van de Arbeid (PvdA). Charakteristisch für die „roten 1970er‑Jahre“ (12) seien also der gesellschaftliche Protest und die Entwicklung neuer Aktionsformen gewesen. Dies wird etwa anhand der Geschichte der Hausbesetzungen in Hamburg gezeigt. Gegen Ende des Jahrzehnts und zu Beginn der 1980er‑Jahre habe sich der Reformgeist in beiden Ländern abgeschwächt und von Christdemokraten dominierte, konservativ und neoliberal ausgerichtete Regierungen seien an die Macht gelangt. Es habe aber auch Unterschiede zwischen den Ländern gegeben: „Die nationalsozialistische Vergangenheit, die in den politischen Debatten und Konflikten Westdeutschlands eine große Rolle spielte, war in den Niederlanden kein Thema. Auch im Bereich der Ostpolitik waren die Situationen sehr unterschiedlich […]. Die Niederlande betrieben anders als die Bundesrepublik in den 1970er‑Jahren keine auffallend neue Ostpolitik.“ (32) Der Band enthält Beiträge, die während einer Konferenz der Herausgeber im November 2009 in Münster präsentiert wurden, aus der heraus inzwischen ein vergleichendes Projekt zu den 1970er‑Jahren entstanden ist. Daran beteiligen sich universitäre Institute in Utrecht, Leiden, Boston und Münster.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.22 | 2.313 | 2.61 | 2.25 | 2.37 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Duco Hellema / Friso Wielenga / Markus Wilp (Hrsg.): Radikalismus und politische Reformen. Münster u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35820-radikalismus-und-politische-reformen_43488, veröffentlicht am 02.05.2013. Buch-Nr.: 43488 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken