Für den Historiker Walter Laqueur steht fest, dass das politische System Russlands „gegenwärtig eine Diktatur mit großer Unterstützung der Bevölkerung“ (11) ist. Damit ein solches System funktioniert, brauchen die Regierenden eine Ideologie oder Doktrin. Der Autor nennt diese Ideologie „Putinismus“ (88), indem er Dokumente der russischen Regierung in diese Richtung interpretiert: „Das Land brauche eine neue Mission, eine ‚russische Idee‘, welche die Grundlage der gossudarstwennost (Staatlichkeit) und auch der Solidarität bilden müsse.“ (89) In der historischen Auseinandersetzung mit der russischen Idee findet Laqueur viele Elemente hierfür, die es schon bei den russischen Intellektuellen im 19. Jahrhundert gab. Er fasst sie in folgende Bestandteile des Putinismus zusammen: eine starke russisch‑orthodoxe Kirche und die Einheit von Staat und Kirche, Nationalismus und rechtsradikales Gedankengut, Eurasianismus und eine Geopolitik mit Russland als Großmacht, eine generelle Abneigung gegen den Westen und seinen Werten, insbesondere der Antiamerikanismus. Hinzu kommt eine politische Konfabulation. Mit diesem Phänomen beschreibt der Autor, „wie bereitwillig im heutigen Russland in manchen Kreisen Fälschungen als Wahrheiten akzeptiert werden, zunächst nur von Extremisten, aber später auch von Teilen des Establishments“ (142). Ohnehin beobachtet Laqueur für die vergangenen zwanzig Jahre, dass die extremen Rechten eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung der russischen Doktrin spielen. Die Rechten glauben daran, dass Russland ein Land mit einer besonderen Mission sei. Wohin treibt nun Russland? Laqueur kommt zu dem Schluss, dass in naher Zukunft „eine Abkehr von der autoritären Herrschaft zugunsten eines demokratischeren Systems“ (312) unwahrscheinlich ist. Auch dass sich die jungen Russen für mehr Demokratie einsetzen, sieht der Autor nicht. „Den Umfragen zufolge bilden Geld und Machtanbetung die neue Ideologie der Jugend.“ (285)