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Corinna Hölzl

Protestbewegungen und Stadtpolitik. Urbane Konflikte in Santiago de Chile und Buenos Aires

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (UrbanStudies); 419 S.; 49,99 €; ISBN 978-3-8376-3121-0
Diss. HU Berlin; Begutachtung: M. Janoschka, J. Rehner. – Die gegenwärtig in globalem Maßstab zu besichtigende Postdemokratisierung macht auch vor der Stadtentwicklung nicht halt. Im Zuge der sozioökonomischen Umstrukturierung von Städten konkurrieren Marktprinzipien und Prozesse der Gentrifizierung mit Überlegungen zu einer für alle Einkommens‑ und Bildungsschichten lebenswerten Stadt. Das hieraus resultierende Konflikt‑ und Protestpotenzial ist immens, allzumal es alle städtischen Bevölkerungsschichten umfasst. Vor diesem Hintergrund geht Corinna Hölzl aus stadtgeografischer Perspektive der Frage nach, „welche politischen Auswirkungen eine solche Häufung städtischer Konflikte nach sich zieht“ (10). Um das Spannungsfeld zwischen Stadtpolitik und sozialer Bewegungsforschung analytisch abzudecken, unternimmt Hölzl zunächst den Versuch einer theoretisch‑konzeptionellen Integration von postdemokratischen, aus der Bewegungsforschung stammenden emanzipationstheoretischen Ansätzen. Diese theoretischen Vorüberlegungen münden in eine empirische Analyse, die dem komparativen Most Different Systems Design folgt und für die Städte Santiago de Chile und Buenos Aires jeweils zwei ähnlich gelagerte Konflikte fallstudienhaft untersucht. Diese betreffen städtebauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Hochhausbauprojekten einerseits und Gentrifizierungs‑ beziehungsweise Landnahmekonflikten andererseits. Die empirische Analyse bestätigt dabei die Vermutung der Bewegungsforschung, wonach Konflikte dann aufbrechen und Handlungsimpulse erzeugen, wenn bestehende Problemlagen als individuelle empfunden werden. Zudem müssten sich Gruppen, die den Protest tragen, auch als solche, als politisch initiative Akteure begreifen können. In den untersuchten Stadtteilen von Buenos Aires sei diese Bedingung durch die bereits bestehende politische Kultur erfüllt gewesen, etwa in Form einer erlernten Protestkultur oder aber auch durch gemeinsame ethnische Zugehörigkeiten. In institutioneller Hinsicht sind die Folgen der jeweiligen Proteste – ungeachtet ihres konkreten Ausgangs – überaus bemerkenswert. In beiden untersuchten Ländern haben sie zur Implementierung von Partizipationsgesetzen geführt, die Proteste und ihre Artikulation institutionell kanalisieren sollen. Ob sich dieser Versuch der Einhegung von Protest bewähren wird, bleibt ebenso zu untersuchen wie dessen Folgen für die – empfundene – Demokratiequalität der betroffenen Gesellschaften.
{LEM}
Rubrizierung: 2.652.22.212.222.263 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Corinna Hölzl: Protestbewegungen und Stadtpolitik. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39387-protestbewegungen-und-stadtpolitik_47886, veröffentlicht am 11.02.2016. Buch-Nr.: 47886 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken