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Dorothea Czarnecki

Prostitution von Kindern in Guatemala. Mädchen zwischen Arbeit und kommerzieller sexueller Ausbeutung

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Schriften zur interdisziplinären Frauen- und Geschlechterforschung 9); 306 S.; 44,00 €; ISBN 978-3-8487-0223-7
Diss. Oldenburg; H.‑P. Schmidtke, D. Brühl. – Wenn die sechzehnjährige Miriam in einem Interview berichtet, sie sei es schon gewohnt, regelmäßig vergewaltigt zu werden, allzumal sie ja auch ihre beiden Töchter versorgen müsse, dann tritt die Frage „Warum eigentlich Guatemala?“ schlagartig in den Hintergrund. Dorothea Czarnecki geht in ihrer Studie der Frage nach, wie genau die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern zwischen (erzwungener) Prostitution und Erwerbstätigkeit einzuordnen und wie dementsprechend mit ihr umzugehen ist. Der Komplexität und Sensibilität des Themas entsprechend bewegt sich Czarnecki dabei auf zwei Ebenen: auf der des wissenschaftlichen, thematisch einschlägigen Diskurs über Kinderprostitution einerseits und der der Betroffenen andererseits. Basierend auf problemzentrierten Interviews mit betroffenen Mädchen, die Czarnecki im Rahmen eines sechsmonatigen Aufenthalts in Guatemala geführt hat (ein Land, in dem im Unterschied zu Costa Rica noch erheblicher Nachholbedarf hinsichtlich der Erforschung dieses Themas besteht), entwickelt sie Fallstudien, die eine differenzierte Sicht auf den Alltag der Betroffenen sowie ihre Handlungsmotive und Hoffnungen erlauben. Ihr Fazit unter dem Titel „Prävention durch Partizipation“ (265) entwirft ein düsteres Bild: Es sind nicht nur die bei den Betroffenen vielfach fehlenden familiären und sozialen Strukturen und Einbindungen, die Prostitution wahrscheinlicher machen – auch auf staatlicher Seite besteht massiver Handlungsbedarf. Es gelte, das Thema überhaupt auf der Tagesordnung der politischen Entscheider zu halten, zudem fehlen geeignete Unterbringungs‑ und Auffangstrukturen sowie Daten zur frühzeitigen Erkennung von Betroffenen. Dass zudem Kindesrechte nicht wirklich hartnäckig verfolgt und durchgesetzt werden, kommt noch hinzu. Ein erster Ansatzpunkt angesichts all dieser Defizite – von der bestehenden Nachfrage nach Kindesprostitution einmal abgesehen – sieht Czarnecki in der Etablierung „institutioneller Strukturen“ (269), die mit dem Thema befasst sind. Damit würde nicht nur die in Guatemala grassierende Korruption eigedämmt, auch könnten so Interventionskompetenzen gestärkt werden. – Ob das alles für Miriam noch rechtzeitig kommt, steht indes auf einem anderen Blatt.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.65 | 2.27 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Dorothea Czarnecki: Prostitution von Kindern in Guatemala. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36303-prostitution-von-kindern-in-guatemala_44385, veröffentlicht am 17.10.2013. Buch-Nr.: 44385 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken