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Thomas Mergel

Propaganda nach Hitler. Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik 1949-1990

Göttingen: Wallstein Verlag 2010; 415 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-0779-7
Wer um Wählerstimmen wirbt, muss ein Gefühl dafür entwickeln können, auf welchen Wegen er die jeweiligen Bürger effektiv anspricht. Dafür kann es kein globales Konzept geben, da die Wahrnehmung des Politischen in den einzelnen Nationen durch einen spezifischen historischen Kontext geprägt ist. Das Werben um Wähler wird so zum Spiegel der politischen Kultur. Dies betrifft auch die Ausformung der Wahlkämpfe der deutschen Nachkriegsgeschichte. So lautet die Grundannahme des Historikers Mergel, der eine Überblicksdarstellung zur bundesrepublikanischen Wahlkampfentwicklung verfasst hat. Durch die gewählte kulturgeschichtliche Perspektive lässt sich das Buch jedoch darüber hinaus als eine Schilderung der zunehmend gefestigten demokratischen Kultur innerhalb des westdeutschen Staates lesen. Dabei sind nach Mergel in Bezug auf die Wahlkämpfe zwei Einflüsse wesentlich von Bedeutung: einerseits die Erfahrung der pompösen Propagandamaschinerie der Nationalsozialisten, die die nachfolgenden demokratischen Politiker eher zurückhaltende Töne verwenden ließ. Dadurch entstand ein Primat der Sachlichkeit und Fairness, was jedoch auch eine geringere Mobilisierung des politischen Interesses bedingte. Andererseits, so der Autor, war die Distanzierung zu einem externen Phänomen ebenfalls dominierend für die Ausprägung der deutschen Wahlkampfkultur. Die Kampagnen, die sich in den Vereinigten Staaten, dem großen demokratischen Vorbild, beobachten ließen, wurden als Reklame, als manipulativ kritisiert. So wurde der Begriff der Amerikanisierung des Wahlkampfes zu einer negativen Brandmarkung medial modernisierter Wahlkampfführung. Dennoch lasse sich ein vermehrter Einfluss amerikanisch geprägter Wahlkampfführung nicht leugnen, der sich in der Professionalisierung, aber auch Medialisierung und vor allem Personalisierung niederschlägt. Dabei kann nach Mergel aber nicht von einer bloßen Übernahme amerikanischer Strategien und Konzepte gesprochen werden. Vielmehr wurden sie mit hiesigen, zum Teil „undemokratischen Traditionen“ (39) politischer Wahrnehmung zu einer eigenständigen Form der Politikvermittlung verknüpft, was zur Stabilisierung des politischen Systems der Bundesrepublik beitrug.
Arne Arps (AA)
M. A., Doktorand der Politikwissenschaft, Universität Vechta.
Rubrizierung: 2.313 | 2.332 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Arne Arps, Rezension zu: Thomas Mergel: Propaganda nach Hitler. Göttingen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/21638-propaganda-nach-hitler_39491, veröffentlicht am 19.11.2010. Buch-Nr.: 39491 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken