Präsidentialismus und Demokratie in Lateinamerika. Argentinien, Brasilien, Chile und Uruguay im historischen Vergleich
Politikwiss. Diss. Heidelberg; Gutachter: D. Nohlen, K. von Beyme. - Die neuere Transitionsforschung brachte die These hervor, daß präsidentielle Regierungssysteme in den Staaten der Dritten Welt aufgrund ihrer institutionellen Struktur die Konsolidierung von demokratischen Systemen beeinträchtigen. Diese Position nutzt Thibaut als Ausgangspunkt für seine komparative Studie, in der er den potentiellen Einfluß der "institutionalistischen Problemperspektive auf politische Entwicklungsphänomene" (16) in Lateinamerika untersucht.
Ausgehend von einer allgemeinen Betrachtung der Typenbildung innerhalb der Demokratieforschung bildet eine Auseinandersetzung mit theoretischen und methodischen Aspekten der Präsidentialismuskritik den Analyserahmen. Hierauf aufbauend werden am Beispiel Argentiniens, Brasiliens, Chiles und Uruguays jeweils zwei historische Entwicklungsphasen untersucht. Zunächst steht die präautoritäre Phase vor dem Zusammenbruch der Demokratien im Mittelpunkt, um so längerfristige Determinanten institutioneller Strukturen erfassen zu können. Anschließend werden mit der postautoritären Phase die Erfahrungen mit präsidentiellen Regierungssystemen seit der Redemokratisierung betrachtet.
Obwohl in allen vier untersuchten Fällen verschärfte Konfliktkonstellationen zwischen der Exekutive und der Legislative vorherrschten, "oder gar eine völlige Paralyse des institutionellen Entscheidungsprozesses den Niedergang der Demokratien [in den sechziger und siebziger Jahren] begleitete, spricht [...] wenig dafür, die 'Rigidität' des präsidentiellen Regierungssystems, das heißt die Nicht-Absetzbarkeit der Regierung und die Fixiertheit der Wahlperioden, als verursachendes oder wesentlich mitverursachendes Element zu betrachten" (324). Letztlich erweist sich der Versuch, strukturimmanente Funktionsdefizite von präsidentiellen Regierungssystemen als erklärende Variable zu verwenden, "als inspirierend, aber wenig tragfähig [...], wenn es um die Erklärung und das Verständnis realhistorischer Phänomene und Probleme der Demokratieentwicklung geht" (333).