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Ulrike Jureit / Nikola Tietze (Hrsg.)

Postsouveräne Territorialität. Die Europäische Union und ihr Raum

Hamburg: Hamburger Edition 2015; 302 S.; 35,- €; ISBN 978-3-86854-287-5
In der klassischen staatstheoretischen Perspektive beruht politische Souveränität auf der Verknüpfung von (anerkanntem) staatlichem Gewaltmonopol und Territorium; in dieser Begrifflichkeit haben sich die historischen Prozesse niedergeschlagen, die im 19. Jahrhundert Nationalstaaten als zentrale politische Kollektivsubjekte durchsetzten. Folgen wir jedoch den Autorinnen und Autoren des Bandes, so sollte uns die Empirie des europäischen Integrationsprozesses mit dem Gedanken vertraut machen, dass Territorialität „nicht mehr uneingeschränkt als räumliches Organisationsprinzip und damit als Kernelement staatlicher Souveränität“ (8) gelten kann. An der Europäischen Union – das zeigen die Beiträge durchgehend sehr inspirierend – lässt sich nämlich in spezifischer Weise der Bedeutungsverlust von territorialer Ordnung beobachten, der sich in der Tendenz weltweit als Folge transnationaler Verflechtungen und der Ausdifferenzierung von globalen Märkten und digitalen Kommunikationsformen einstellt. In der fortschreitenden Europäisierung überlagern sich einerseits national wie supranational ausgelegte Herrschafts‑ und Souveränitätsansprüche und andererseits Zugehörigkeiten, die zwischen regionalen, nationalen und supranationalen Bezugsebenen variieren. Angesichts dieses territorial‑räumlichen Überlagerungsgeschehens möchten die Herausgeberinnen mit diesem Sammelband das Konzept der Postsouveränität theoretisch wie empirisch erschließen und zugleich die Analyse von Territorialisierungsprozessen als zentralen Gegenstand einer raumtheoretisch fundierten Gesellschaftsanalyse ausweisen. Auf die Europäische Union bezogen bedeutet Postsouveränität eine höchst ambivalente Übertragung und Auffächerung staatlicher Souveränitätsrechte, die politische Handlungsabläufe nicht demokratischer gestaltet und eine widersprüchliche Konstellation von interner Freizügigkeit und externer Abschottung erzeugt. In den Beiträgen werden diese Zusammenhänge am Beispiel europäischer Raumordnungskonzepte, an Formen der EU‑Erweiterung und Praktiken europäischer Grenzpolitik sowie schließlich mit Blick auf politische Implikationen einer supranationalen Herrschaftsordnung diskutiert.
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Rubrizierung: 3.1 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Ulrike Jureit / Nikola Tietze (Hrsg.): Postsouveräne Territorialität. Hamburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39144-postsouveraene-territorialitaet_47053, veröffentlicht am 03.12.2015. Buch-Nr.: 47053 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken