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Ina Kerner

Postkoloniale Theorien zur Einführung

Hamburg: Junius 2013 (Zur Einführung 365); 208 S.; 2. Aufl.; 13,90 €; ISBN 978-3-88506-665-1
Mit ihrer Einführung in postkoloniale Theorien schließt Ina Kerner eine große Lücke in der traditionsreichen Junius‑Reihe: Sie liefert eine verständliche und selbstreflexive Zusammenfassung von Texten der wichtigsten Autorinnen und Autoren des Postkolonialismus. Der Einstieg in die Debatte erfolgt in zwei Kapiteln über die Geschichte und Nachwirkungen des Kolonialismus und des historischen Widerstands im Spiegel der Schriften von Aimé Césaire bis Mao Zedong. Der Dreieckshandel mit Sklaven, die Indirect Rule lokaler Eliten, rassistische Geschichtspolitik und Kolonialfantasien werden erklärt und als Teil einer „epistemischen Dimension des Kolonialismus zusammengefasst“ (28). Den Kern des Bandes bilden die beiden Kapitel, in denen nach „Alternativen zum dichotomen West‑Rest‑Denken“ (75) gesucht wird. Hier stellt Kerner verschiedene Autoren und Analysemuster gegeneinander, die sich teils diametral widersprechen: Stuart Hall trifft auf Edward Said, Dipesh Chakrabarty auf Gayatri Chakravorty Spivak. Die Darstellung von eher klassischen, materialistischen Ansätzen und neueren dekonstruktiven Ansätzen hält sich weitgehend die Waage, gerade für die erstere Seite wichtige Autoren wie C. L. R. James bleiben aber leider unerwähnt. Dennoch stellt Kerner das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Herangehensweisen eindrücklich dar und überführt sie im letzten Teil sehr produktiv in die Diskussion um gegenwärtige Formen von Kolonialismus im Verhältnis zu Globalisierung und (Anti‑)Imperialismus: Kann man wirklich eine Kontinuität von „Herrschaftslogiken der modernen/kolonialen Welt vom spanischen Kolonialreich über das Britische Empire bis hin zum gegenwärtigen US‑Imperialismus“ (136) behaupten? Oder haben wir es mit neuen Formen postkolonialer Herrschaft zu tun, die auch neue Strategien des Widerstands verlangen? Abschließend werden vor allem akademische Widerstandsformen jenseits der klassischen Bewegungspolitik diskutiert: Die „Dekolonisation der Wissenschaften“ (153) selbst rückt ins Zentrum. Der Postkolonialismus entpuppt sich hier als ein produktives Feld für die alte Frage der Sozialwissenschaften, „wo genau der beste gangbare Pfad zwischen Konkretion und Abstraktion, zwischen Detailgenauigkeit […] und pointierten Verallgemeinerungen“ (161) liegt.
{FG}
Rubrizierung: 5.1 | 5.42 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Florian Geisler, Rezension zu: Ina Kerner: Postkoloniale Theorien zur Einführung Hamburg: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37019-postkoloniale-theorien-zur-einfuehrung_38613, veröffentlicht am 30.04.2014. Buch-Nr.: 38613 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken