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Mareike Gebhardt

Politisches Handeln in der postmodernen Konstellation. Kritische Demokratietheorie nach Hannah Arendt und Jürgen Habermas

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2014 (Zeitgenössische Diskurse des Politischen 6); 285 S.; brosch., 49,- €; ISBN 978-3-8487-1274-8
Diss. Regensburg; Begutachtung: K. Herb, B. Weber. – Angezeigt ist eine ebenso gut wie selbstbewusst geschriebene und trotz des herkömmlich vergleichenden Ansatzes doch ungewöhnliche Dissertation. Ausgehend von einer poststrukturalistischen Perspektive – die Autorin spricht einleitend von „einer anonymisierten Welt“, in der „die Existenz als Bürger eigentlich unmöglich geworden“ (19) sei – geht Mareike Gebhardt zwei Fragen nach: „Schließen sich […] Anonymität und Bürgersein aus? Wie kann die Postmoderne diese scheinbar unversöhnlichen Antagonismen miteinander ins Gespräch bringen?“ (19) Als Grundlage der Überlegungen fungieren die normativen Kernkonzepte des Arendt‘schen und Habermas‘schen Denkens, also insbesondere Öffentlichkeit, Handeln, Kommunikation, Partizipation sowie – auf einer grundsätzlicheren Ebene – das Verhältnis von Individuum, Gesellschaft und Politik. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden dabei zwar herausgearbeitet, etwas irritierend ist jedoch die Darstellungsweise. Oft verschwimmen die Gedanken von Arendt und Habermas mit den eigenen Positionen der Autorin. Beeindruckend ist wiederum die Konsequenz, mit der das beschriebene Verfahren durchgeführt wird. Pointiert ist Gebhardt bei ihren Schlussfolgerungen. Das Buch ist den „Anderen“ gewidmet, und das spiegelt sich auch in den Thesen wider. Die Situation heimat‑ und rechtlos gewordener Migranten fungiert als Schablone für den gänzlich entfremdeten Bürger in der postmodernen Konstellation, auf den die Modelle von Arendt und Habermas dann doch nur unzureichend anwendbar sind: „Die Verantwortung für die Entscheidungen über die Selektion und den Ausschluss der Anderen wird durch die zunehmende Bürokratisierung des Politischen an einen unsichtbaren Ort verschoben.“ (216) Ein zentrales Defizit der verglichenen Theorien erkennt die Autorin in der mangelhaften Unterscheidung von „der Politik“ und „dem Politischen“, denn „[n]ur im Politischen treffen Wir Anderen frei und gleichberechtigt aufeinander“ (260). Analog dazu plädiert sie für die Unterscheidung zwischen der Demokratie als politischem System und dem Demokratischen als deren normativem Kern. Letzteres gründe primär im Kommunalen. Hier erkennt Gebhardt folglich Möglichkeiten demokratischer Praxis: „Das Demokratische kann die Anderen zwar erkennen, muss sie aber immer auch ein Stück weit ausschließen, um die Unmittelbarkeit der Begegnung aufrechterhalten zu können. […] Das Demokratische bedarf einer Begrenzung der Beteiligung, einer Markierung ihrer Machträume. Es ist nicht universal ausdehnbar“ (262). Gebhardts Thesen muss man nicht teilen, um zu dem Schluss zu kommen, dass ihre spezifische Herangehensweise zum vertieften Nachdenken anregt, also einer Kernintention politischen Denkens nachkommt.
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Rubrizierung: 5.41 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Mareike Gebhardt: Politisches Handeln in der postmodernen Konstellation. Baden-Baden: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39803-politisches-handeln-in-der-postmodernen-konstellation_46347, veröffentlicht am 07.07.2016. Buch-Nr.: 46347 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken