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Heinrich Bußhoff

Politische Repräsentation. Repräsentativität als Bedingung und Norm von Politik

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2000 (Konturen - Studien zur Neuorientierung politischer Leitkategorien 1); 183 S.; brosch., 68,- DM; ISBN 3-7890-6443-2
Wie ist es möglich, das Prinzip der politischen Repräsentation in Gesellschaften, in denen die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Bürgern durch die Entwicklung der Informationstechnik stetig anwachsen und die so zu Medien- und Kommunikationsgesellschaften werden - der Autor spricht in diesem Zusammenhang von "elektronischen Demokratien" (165) - den veränderten Bedingungen anzupassen? Dies kann eine durchaus relevante und wichtige Frage sein. Ob sie, wie Bußhoff meint, wichtiger als die ansonsten in der Literatur diskutierte Frage nach der richtigen Mischung parlamentarisch-repräsentativer und direktdemokratisch-plebiszitärer Elemente im politischen Entscheidungsprozess ist, mag dahingestellt sein. Die Art, wie Bußhoff diese Frage darlegt und versucht, darauf eine Antwort zu finden, lässt aber selbst einen interessierten Leser resignieren. Erstens sind die Ausführungen schwer lesbar, weil der Autor entweder bewusst oder unbewusst kryptisch formuliert. Ein Beispiel: "Der Ansatzpunkt für eine zukunftsoffene Betrachtungsweise wird nach der vorliegenden Studie in der häufig zu beobachtenden und insofern fast alltäglichen Tatsache gesehen, daß der politische Kommunikationsprozeß gleichsam angehalten, punktualisiert wird und eine bestimmte Struktur mit bestimmten Funktionszuweisungen erhält, wenn ein Geltungsanspruch eingefordert wird, der als repräsentativ ausgezeichnet wird." (9) Oder: "Ohne sich auf ein bestimmtes Verständnis von Repräsentation festlegen zu müssen, kann angenommen werden, mit diesem so ausgezeichneten Geltungsanspruch werde ein allgemeines Verständnis von Repräsentativität dessen, womit dieser Geltungsanspruch verknüpft wird, aktualisiert und in der kommunikativen Auseinandersetzung genutzt." (9) Ähnliche Beispiele finden sich in der Arbeit zuhauf. Zweitens ist die Arbeit auch aus methodischer Perspektive problematisch. Bußhoff hält die Entwicklung von klaren und nachvollziehbaren Begriffen und ein ebenso klares und konsistentes Vorgehen bei der Entwicklung und Beantwortung von Fragen oder Hypothesen offensichtlich für unnötig. So wird erwähnt, dass in der Arbeit ein "erkenntnistheoretisch-methodisches Konzept der Komplementarität in einer relativ umfassenden Weise genutzt wird" (10) oder, dass die "Thematisierung [...] argumentations- und kommunikationstheoretisch" darzustellen sei (10). Was genau darunter zu verstehen ist, behält der Autor für sich. Dieses Vorgehen ist umso erstaunlicher, als laut einleitendem Vorwort zu der Schriftenreihe ein wissenschaftlicher Anspruch eingehalten werden soll und darüber hinaus "Leser unterschiedlicher Provenienzen" (6), insbesondere Sozial- und Kulturwissenschaftler, aber auch Praktiker aus der Verwaltung, Rechtsprechung und anderen Bereichen den Adressatenkreis bilden sollen. Das Ergebnis faßt Bußhoff folgendermaßen zusammen: "Die Rede vom 'Ende der Öffentlichkeit' im Sinne von Privatisierung durch Individualisierung ist diffus und unbedacht (wenn nicht leichtfertig). Richtig daran ist, daß neue Formen der politischen Öffentlichkeit sich ausbilden werden, die andere Antworten auf die Repräsentativitätsfrage erfordern als sie bisher üblicherweise verbreitet wurden und noch werden." (165). Solange allerdings Parteien darüber bestimmen, welche Chancen der Teilnahme am politischen Prozess verfügbar sind, werden sie auch versuchen, dafür zu sorgen, dass sich daran nichts ändert. Bußhoff plädiert dafür, die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger an den politischen Entscheidungen zunehmend von einer Parteimitgliedschaft zu lösen. Nur so könne sichergestellt werden, dass bei einer zunehmenden Dynamik in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur die bestehenden Strukturen nicht ihre Legitimität verlieren. Inhalt: I. Repräsentation: eine überholte Kategorie der Politik? 1. Schwierigkeiten mit dem Begriff; 2. Diskussion zentraler Theoreme; 3. Herausforderungen für einen Neuansatz. II. Repräsentativität als Politizität: 1. als Kommunikativität; 2. als Legitimität. III. Repräsentativität als Konstrukt: 1. als Komplementaritätsfigur; 2. als Teilnahmebedingungen. IV. Repräsentativität als Kommunikat: 1. als Argumentationsfigur; 2. als Kommunikationsbedingungen.
Sven Christian Singhofen (SCS)
M. A., Doktorand, Institut für Sozialwissenschaft (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.2 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Sven Christian Singhofen, Rezension zu: Heinrich Bußhoff: Politische Repräsentation. Baden-Baden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/4709-politische-repraesentation_15372, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 15372 Rezension drucken