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Oliver Flügel-Martinsen / Franziska Martinsen

Politische Philosophie der Besonderheit. Normative Perspektiven in pluralistischen Gesellschaften

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2014; 177 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-593-50064-5
Moderne Gesellschaften sind pluralistisch verfasst. Von dieser Begebenheit ausgehend, unternehmen Oliver Flügel‑Martinsen und Franziska Martinsen den Versuch der Bestimmung einer politischen Philosophie der Besonderheit. Den Auftakt dieses sehr kenntnisreich realisierten Unterfangens bildet ein ideengeschichtlicher Teil, in dem zwei Diskursstränge der politischen Thematisierung von Besonderheit dargestellt werden. Neben dem der „hierarchischen Besonderheit“ (13 ff.) ist dies – das gilt es angesichts des nach wie vor nur marginal berücksichtigten politischen Status der betreffenden Epoche gesondert hervorzuheben – die Vorstellung „romantischer Besonderheit“ (27 ff.). Vor diesem Hintergrund ist im zweiten Teil die komparativ angelegte Darstellung zeitgenössischer Strömungen des politischen Denkens der Gegenwart situiert, die sich allesamt mit der spannungsvollen Aufgabe konfrontiert sehen, Besonderheit und Gleichheit adäquat zu vermitteln. Der Anspruch ist durchaus umfassend, werden doch liberale, feministische, kommunitaristische, deliberative, republikanische, anerkennungs‑ und differenztheoretische Ansätze auf ihren konzeptuellen Umgang mit Besonderheit hin befragt. Angesichts der beeindruckenden Anzahl abgehandelter Positionen – von Arendt über Kymlicka bis Young – sind dabei notgedrungen Verkürzungen in Kauf zu nehmen, was den beiden Verfassern aber bewusst ist und durch Verweise aufzufangen gelingt. Weisen sie den meisten der Strömungen Unzulänglichkeiten bei der Vermittlung von Besonderheit und Gleichheit nach, so sind es die differenztheoretischen Ansätze, die als gehaltvolle Inspirationsquelle einer politischen Philosophie der Besonderheit dienen, wie sie im abschließenden Teil entfaltet wird. Methodisch im Denken Skinners, vor allem aber Derridas und Foucaults verankert, habe diese sich mit einer kritischen „Rekonstruktion von Deutungskontroversen“ (142) zu bescheiden. Unter Rekurs auf einige Beispielstudien wird sie als ein negativ‑analytisches Unterfangen skizziert, das überkommene soziale Strukturen und deren (philosophische, biologistische etc.) Rechtfertigungen hinsichtlich ihrer Machtdurchdrungenheit und ihrer die Besonderheit negierenden Effekte befragt. Starke Ordnungsbegründungen im Sinne klassischer politischer Philosophien sind von einer solchen politischen Philosophie der Besonderheit hingegen nicht zu erwarten. Wie Flügel‑Martinsen und Martinsen überzeugend zeigen, muss beziehungsweise sollte sie dies aber auch gar nicht zu leisten beanspruchen.
Paul Sörensen (SÖR)
Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Lehrstuhl für Politikwissenschaft/Politische Theorie, Universität Augsburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Paul Sörensen, Rezension zu: Oliver Flügel-Martinsen / Franziska Martinsen: Politische Philosophie der Besonderheit. Frankfurt a. M./New York: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37239-politische-philosophie-der-besonderheit_45787, veröffentlicht am 26.06.2014. Buch-Nr.: 45787 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken