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Andreas Kießling

Politische Kultur und Parteien im vereinten Deutschland. Determinanten der Entwicklung des Parteiensystems

München: Forschungsgruppe Deutschland am Centrum für angewandte Politikforschung 1999 (Schriftenreihe der Forschungsgruppe Deutschland 11); 192 S.; 26,80 DM; ISBN 3-933456-07-X
Kießlings Buch bietet eine umfassende Überblickdarstellung zur Struktur und Entwicklung des bundesrepublikanischen Parteiensystems in den neunziger Jahren von der ersten gesamtdeutschen Wahl bis zu den Landtagswahlen im Sommer 1999. Im Zentrum der Arbeit steht die "Analyse des Zusammenhangs zwischen Entwicklungen der politischen Kultur als einem Teil des gesellschaftlichen Wandels und den Parteien sowie des Parteiensystems nach der Vereinigung" (8). Wesentliche Grundlage der Untersuchung ist die Sekundäranalyse empirischer Erhebungen aus der Parteienforschung. Methodisch bezieht sich Kießling dabei vor allem auf das Ann-Arbor-Modell und die Theorie der Cleavages. Ausgehend von diesen Ansätzen kommt er unter anderem zur Fragestellung, ob die unterschiedlichen politischen Kulturen in Ost- und Westdeutschland mittlerweile auch ihren Ausdruck in zwei unterschiedlichen Parteisystemen gefunden habe. Die Analyse wesentlicher Bestimmungsfaktoren der politischen Kultur wird dabei jeweils mit konkreten Daten konfrontiert: Mitgliederentwicklung, politisches Interesse, Vertrauen in politische Parteien, Parteineigungen, Inglehart-Index oder Demokratiezufriedenheit werden in Zeitreihen für die neunziger Jahre oftmals in der Form von Grafiken für die unterschiedlichen Parteien präsentiert. Der Frage nach den Auswirkungen des Wandels politischer Kultur auf die Binnenorganisation der Parteien und das Parteiensystem als ganzem ist eine solide Rekapitulierung der wesentlichen Trends und Stationen der Parteientwicklung in den neunziger Jahren vorangestellt. Hinsichtlich der Binnenorganisation skizziert Kießling die jeweiligen Reformbemühungen im Blick auf eine Ausweitung innerparteilicher Mitbestimmungsmöglichkeiten als Suche nach einer Antwort auf den politisch-kulturellen Wandel. Diesbezüglich attestiert er den ostdeutschen Bundesbürgern ein höheres Interesse an unkonventionellen Beteiligungsformen als den Westdeutschen, was er im wesentlichen auf die Erfahrung der friedlichen Revolution zurückführt. Im Unterschied zum Westen habe dort jedoch keine Wendung hin zu postmaterialistischen Einstellungen stattgefunden. Statt dessen sei die Herausbildung einer deutlich regionalen Identität zu beobachten. In diesem Kontext arbeitet Kießling interessanterweise strukturelle Ähnlichkeiten zwischen PDS und CSU heraus. Er widerspricht der These, daß die Struktur ostdeutscher Parteien mit ihrer geringen Mitgliederzahl zum Modell auch der westdeutschen werden könne und faßt zusammen, "daß zwei spezifische Regionalparteiensysteme entstanden sind, die überwölbt werden von einem gesamtdeutschen Parteiensystem" (151). Den Abschluß der Arbeit bilden zehn Thesen zur zukünftigen Entwicklung der Parteien in Deutschland.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 2.35 | 2.331 | 2.332 Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Andreas Kießling: Politische Kultur und Parteien im vereinten Deutschland. München: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/7315-politische-kultur-und-parteien-im-vereinten-deutschland_9746, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9746 Rezension drucken