Skip to main content
Libero Gerosa / Ludger Müller (Hrsg.)

Politik ohne Religion? Laizität des Staates, Religionszugehörigkeit und Rechtsordnung

Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014; 271 S.; kart., 34,90 €; ISBN 978-3-506-77262-6
Kirchenfinanzierung und Religionsunterricht – diese beiden Themen, die das Zusammenspiel von Staat und Kirche betreffen, stehen im Mittelpunkt der Analysen dieses Bandes. Dabei ist das Verhältnis von Kirche und Staat durchaus vertrackter, grundsätzlicherer Natur, wie Christian Werner in seinem Geleitwort nur kurz anzudeuten vermag. Mit Blick auf das II. Vatikanum, so Werner, könne ein gemeinsames Ziel von Kirche und Staat ausgemacht werden, das darin bestehe, den in einer Zeit zunehmender Freiheit paradoxerweise nicht abnehmenden psychischen und physischen Formen der Unterdrückung entgegenzutreten. Ludger Müller formuliert in seiner grundsätzlich angelegten, das Themenfeld des Laizismus umreißenden Einleitung die erkenntnisleitenden Fragen des Bandes: „Was haben Religionen mit der öffentlichen Ordnung zu tun? Welchen Einfluß darf die Politik auf religiöse Fragen und auf die inneren Angelegenheiten von Religionsgemeinschaften ausüben? [...] Sind Wahlempfehlungen kirchlicher und anderer religiöser Amtsträger zulässig?“ (9) Nach solchen Evergreens kritischer Reflexion über das Verhältnis von Kirche und Staat – das damit eben nicht nur in anderen Regionen dieser Welt und jenseits der christlichen Religion relevant bis problematisch ist – fokussieren die Autor_innen die bereits angesprochenen Fragen von Religionsunterricht und Kirchenfinanzierung – wobei sowohl in muslimisch als auch in christlich geprägten Ländern diverse Probleme offen zutage treten. So verdeutlicht etwa Roberta Aluffi Beck‑Peccoz, wie eng auch heute noch gewisse staatliche Ämter oder Privilegien an eine bestimmte Religionszugehörigkeit gebunden sind: „In Ländern, in denen es keine Zivilehe gibt, ist, wer keiner der anerkannten Religionen angehört, nach deren Recht die Ehe geschlossen werden kann, in der Freiheit zur Begründung einer Familie sehr eingeschränkt.“ (53) Dies ist freilich nur ein Aspekt eines multiperspektivischen Forschungskontextes. Und dennoch mag seine Erwähnung genügen, um das Fazit, das Müller in seiner Einleitung des Bandes gezogen hatte, doch kritisch zu betrachten. Religion dürfe nicht „aus dem öffentlichen und damit aus dem politischen Raum verdrängt werden“ (17). Religion als reine Privatsache ist dann was – eine Illusion, eine vergebliche Hoffnung?
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.61 | 2.4 | 4.42 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Libero Gerosa / Ludger Müller (Hrsg.): Politik ohne Religion? Paderborn: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37256-politik-ohne-religion_45632, veröffentlicht am 03.07.2014. Buch-Nr.: 45632 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken