
Polens Andere. Verhandlungen von Geschlecht und Sexualität in Polen nach 1989
Diss. HU Berlin; Gutachter: W. Kaschuba, B. Binder. – Nationalismus war in den südosteuropäischen Ländern immer auch Widerstand gegen die Fremdherrschaft Moskaus. Dadurch kam es zu der Entwicklung eines spezifischen postsozialistischen Nationalismus. Dieser liefert der Autorin den Rahmen für ihre Analyse der Rekonstruktion der nationalen polnischen Identität. Die Themen Geschlecht und Sexualität nehmen in diesem Prozess einen zentralen Raum ein. Obwohl moralische Vorstellungen schon seit der Wende im Jahr 1989 in Polen diskutiert wurden, wurde die Debatte in der sogenannten vierten Republik der Kaczynski-Brüder intensiviert. Sie avancierte sogar zum politischen Instrument der neuen Regierung. Dies galt im besonderen Maße für die Jahre 2005 bis 2007, in denen die innenpolitische Debatte Polens deshalb verstärkt in den Blickpunkt der europäischen Öffentlichkeit geriet. Diese Debatte ist der Ausgangspunkt für die Untersuchung der Autorin. Sie beschreibt Ausgrenzungsdiskurse auf der Ebene von Geschlecht und Sexualität in Polen im Spannungsfeld des europäischen Kontextes. Ein Beispiel hierfür ist die parlamentarische Abstimmung zur Errichtung eines Gleichstellungsamtes im Jahr 1999. Die Abstimmung mündete in eine Pattsituation, die mit der Argumentation entschärft werden sollte, dass das Einhalten der Gleichstellungsgesetze hinsichtlich des Geschlechts und das Verbot einer Diskriminierung ebenso wie das Einhalten der Freiheit und der Menschenrechte wesentliche Elemente in den Verhandlungen zu Polens EU-Beitritt seien. Die Autorin illustriert in ihrer Analyse die verschiedenen Referenzrahmen, derer sich konservative Parteien auf der einen und Frauenrechtlerinnen auf der anderen Seite bedienen. Keinz gelingt es, anhand der polnischen Debatte aufzuzeigen, inwiefern anhand von Geschlecht und Sexualität nationale Identität, Zugehörigkeit und Demokratie sowie das Verhältnis von Nation und Staat verhandelt werden.