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Jens Hacke

Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006 (Bürgertum Neue Folge: Studien zur Zivilgesellschaft 3); 323 S.; geb., 39,90 €; ISBN 978-3-525-36842-8
Diss. HU Berlin; Gutachter: H. Münkler, H. A. Winkler. – Den „Rang einer besseren Staatsbürgerkunde“ (296) schreibt Hacke der liberalkonservativen Philosophie zu, als deren wichtigsten Vertreter der Kreis um den Münsteraner Philosophen Joachim Ritter (1903-1974) zu nennen sei. Dazu zählten unter anderem Hermann Lübbe, Odo Marquard und Robert Spaemann. Sie hätten geholfen, eine kulturelle und intellektuelle Legitimität der (alten) Bundesrepublik zu begründen. Als zentralen Kern ihres Denkens benennt Hacke die „Böckenförde-Doktrin“, die den Staat davon entlaste, seine Existenzbedingungen normativ zu fixieren. Als Verfassungspatrioten hätten die Ritter-Schüler zur Kompensation beschleunigter Modernisierungsprozesse humanistische und christliche Traditionen ebenso verteidigt wie die bürgerlichen Lebenswelten. In der eingehenden Analyse der Bausteine dieser politischen Philosophie zeigt sich, dass sie sich maßgeblich durch die Auseinandersetzung mit dem westlichen Marxismus und der Kritischen Theorie entwickelte. Der tiefe Graben zwischen den liberalkonservativen und linken Positionen wird vielleicht am deutlichsten illustriert durch die Frage nach einer Begründung des zivilen Ungehorsams in einem demokratisch-republikanischen Staat – nach Ansicht der Ritter-Schüler gibt es keine. In der Gegenüberstellung vor allem der Positionen von Lübbe und Habermas enthält sich Hacke geradezu vorbildlich seiner eigenen Meinung, nichtsdestotrotz strahlt der intellektuelle Stern Habermas’ immer heller. Am Ende kommt Hacke nicht umhin, neben den positiven Auswirkungen des liberalkonservativen Denkens auf die Stabilität der Bundesrepublik auch die theoretischen Mängel der Ritter-Schüler zu benennen: Ihre Philosophie sei eine Nicht-Krisentheorie des Wohlfahrtsstaates, zitiert der Autor Marquard. Ihr Defensivgeist habe so weit geführt, dass sie viel zu lange bekämpft hätten, was für Reformen und die oft beschworene Aktivierung einer Bürgergesellschaft dringend gebraucht werde: „den Mut zur Phantasie und zur politischen Gestaltung.“ (298)
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 | 5.46 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jens Hacke: Philosophie der Bürgerlichkeit. Göttingen: 2006, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/25854-philosophie-der-buergerlichkeit_30015, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 30015 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken