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Ewa Palenga-Möllenbeck

Pendelmigration aus Oberschlesien. Lebensgeschichten in einer transnationalen Region Europas

Bielefeld: transcript Verlag 2014; 402 S.; kart., 32,99 €; ISBN 978-3-8376-2133-4
Soziolog. Diss. Bochum; Begutachtung: L. Pries, H. Lutz. – Für Europa habe sich bisher kein paradigmatisches Beispiel für eine transnationale Migration herausgebildet, schreibt Ewa Palenga‑Möllenbeck, die soziologische Literatur zum Thema konzentriere sich auf die Migration zwischen lateinamerikanischen Herkunftsländern und den USA als Ankunftsgesellschaft. Mit ihrer Dissertation schließt sie nun eben diese Lücke mit einer Analyse der Pendelmigration aus Oberschlesien. Dabei ist diese keineswegs ein neues Phänomen, sondern knüpft an historische Erfahrungen an – aus der Zeit, als die Region noch Teil des Deutschen Reiches war. Ein weiteres besonderes Merkmal an dieser Fallstudie ist, dass viele der oft schon zweisprachigen Pendelmigranten nach der Wende 1989 als Oberschlesier die deutsche Staatsangehörigkeit zuerkannt bekommen und zugleich die polnische behalten haben – diese doppelte Staatsangehörigkeit ermöglicht es ihnen (abgesehen von ihrem Status als EU‑Bürger), in beiden Ländern legal zu wohnen und zu arbeiten. Ihrer spezifischen Form der Migration geht die Autorin auf der Basis von narrativ‑biografischen Interviews mit 23 Personen nach, außerdem hat sie neben der deutschsprachigen auch die polnische Literatur zum Thema ausgewertet. Es zeigt sich, dass das Konzept der transnationalen Migration im engeren Sinne – der Migrant baut Bindungen zum Her‑ und Ankunftskontext auf – auf die oberschlesischen Migranten nicht richtig zutrifft: Sie sind zwar mobil, knüpfen aber in Deutschland (oder auch in den Niederlanden, wo ebenfalls viele von ihnen arbeiten) „nur sehr oberflächliche Bindungen“ und behalten ihren Lebensschwerpunkt in Polen – wo sie als „deutsche“ Oberschlesier voll integriert sind. Palenga‑Möllenbeck ordnet sie daher nach einer Definition von Pries dem Typus des „‚recurrent migrant‘“ (113) zu. Die Gründe dafür, dass Oberschlesien ihr Zuhause bleibt und Deutschland nur als Arbeitsort dient, werden ebenfalls angedeutet: „Es dominieren Teilzeit‑, saisonale und anderweitig befristete Arbeitsverhältnisse“ (121), die oftmals keine Lebensperspektive eröffnen. Nach Ansicht der Autorin wirft ihre Studie damit „auch ein Schlaglicht auf die Arbeitswelt“ in Deutschland insgesamt, lässt sich auch hier doch eine „fortschreitende Erosion des lebenslangen Normalarbeitsverhältnisses“ (354) deutlich ablesen. Für künftige Forschungen biete diese „Korrelation von sich wandelnden Arbeitsmärkten und gesellschaftlichen Strukturen einerseits und Migration andererseits“ (357) ein äußerst weites Feld.
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Rubrizierung: 4.42 | 2.61 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Ewa Palenga-Möllenbeck: Pendelmigration aus Oberschlesien. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37604-pendelmigration-aus-oberschlesien_43318, veröffentlicht am 02.10.2014. Buch-Nr.: 43318 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken