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Andreas Schulz / Andreas Wirsching (Hrsg.)

Parlamentarische Kulturen in Europa. Das Parlament als Kommunikationsraum

Düsseldorf: Droste Verlag 2012 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien 162. Reihe: Parlamente in Europa 1); 454 S.; brosch., 49,80 €; ISBN 978-3-7700-5314-8
Der Band liefert grundlegende theoretische Überlegungen zur (historischen) Parlamentarismusforschung. So verweist Stefan Haas in seiner Erörterung der kommunikationstheoretischen Wende in der Geschichtswissenschaft darauf, dass vor allem die Umsetzung von parlamentarischen Entscheidungen der Kommunikation bedarf. Denn Gesetzestexte werden „permanent reformuliert, missverstanden, umgedeutet und in neue Kontexte eingeordnet“. Gerade die Differenzen, die „sich im Verlauf eines Implementationsprozesses ergeben“ (38), bedürften deshalb der besonderen Rechtfertigung gegenüber dem Normadressaten. Noch stärker arbeitet dies Werner Patzelt in seinem Beitrag heraus, indem er seine Analyse entlang der grundlegenden Parlamentsfunktionen ausrichtet. Wie auch Stefan Paulus und Ines Soldwisch in ihren Beiträgen zieht Patzelt eine Line zwischen dem parlamentarischen Kommunikationsraum und der Architektur des „Hohen Hauses“. Besonders bemerkenswert sind die beiden Abschnitte des Bandes zu parlamentarischen Ritualen und Symbolen sowie zur Rhetorik in Parlamenten – zwei Dimensionen, die oft vernachlässigt werden. Dabei macht sich Thomas Mergel grundsätzlichere Gedanken zu den Funktionen und Modi des Sprechens in modernen Parlamenten. Er unterscheidet zwischen dem „Modus der appellativen Rhetorik“, dem „Argumentieren“ (232) und den „Beziehungsaussagen (233) – drei Modi, die mit den grundlegenden Parlamentsfunktionen korrespondieren und einander „niemals ausschließen“ (243). Armin Burkhardt bricht diesen Ansatz weiter herunter, indem er den Gebrauch „einiger parlamentarischer Sprachformen im Deutschen Bundestag“ (301) problematisiert. Auf der Grundlage verschiedener praktischer Beispiele beklagt er in seinem Fazit, dass die dialogischen Mittel, „die den Parlamentariern zum politischen Streit in der Plenarsitzung zur Verfügung stehen, im ‚Schaufensterparlament‘ pervertiert werden“ (329). Nichtsdestotrotz liefern gerade solche Beiträge neue Impulse für die dringend zu intensivierende politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fragen der politischen Rhetorik. Bedauerlich ist, dass die Bedeutung der neuen Medien für die Parlamente in diesem Band überhaupt nicht gewürdigt wird. Der Sammelband vereint die Beiträge einer Tagung, die 2010 von der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e. V. durchgeführt wurde.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.21 | 2.61 | 2.4 | 2.321 | 2.22 | 3.3 | 3.4 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Andreas Schulz / Andreas Wirsching (Hrsg.): Parlamentarische Kulturen in Europa. Düsseldorf: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36393-parlamentarische-kulturen-in-europa_43514, veröffentlicht am 14.11.2013. Buch-Nr.: 43514 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken