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Rita Kuczynski

Ostdeutschland war nie etwas Natürliches. Deutschlandkenner aus Mittel- und Osteuropa, Frankreich, Großbritannien und den USA über das vereinte Deutschland. Mit einem Vorwort von Gesine Schwan

Berlin: Parthas 2005; 308 S.; brosch., 18,- €; ISBN 3-86601-440-6
Der Band enthält 19 Interviews mit Journalisten, Historikern, Politikern, Publizisten, Schriftstellern und Wissenschaftlern, denen 15 identische Fragen zum deutschen Vereinigungsprozess gestellt wurden. Der Blick aus dem Ausland fördert im Kern häufig ähnliche Sichtweisen zutage. Für alle Befragten kam der Fall der Mauer überraschend. Der DDR-Oppositionsbewegung wird überwiegend eine eher marginale Rolle für den Systemzusammenbruch zugesprochen. Außerdem trifft das lange Festhalten der Opposition an der Option eines „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ auf Kritik. Deutlich werden die Unterschiede und Rivalitäten zwischen Ostdeutschland und anderen Transformationsstaaten, sowohl vor als auch nach der Wende. Für Schwan „scheint auch manchmal der Neid durch, dass die DDR-Bürger so weich in den Schoß der Bundesrepublik gefallen sind“ (12). Trotz der zuweilen artikulierten Sichtweise, die Ostdeutschen seien im Gegensatz zu ihren östlichen Nachbarn letztlich Gewinner des Kalten Krieges, wird auch vonseiten ausländischer Kommentatoren registriert, welche Probleme der Beitritt und der vom Westen dominierte Vereinigungsprozess für die Identität der neuen Länder mit sich bringt. Die PDS wird dabei mehrheitlich als Integrationshemmnis angesehen, da sie kommunistischer geblieben sei als vergleichbare reformsozialistische Parteien in Ostmitteleuropa. Bezeichnend ist, dass die „innere Mauer“ zwischen Ost- und Westdeutschen auch im Ausland als großes Problem wahrgenommen wird. Es bestehen aber keine Ängste vor neuen Großmachtambitionen. Insgesamt handelt es sich gerade wegen der „ungeschminkten“ Wiedergabe der Interviews und aufgrund der Thematisierung des hierzulande oft vernachlässigten Vergleichs mit anderen Transformationsstaaten um einen lohnenswerten Band.
Markus Linden (LIN)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, SFB 600 - Teilprojekt C7 "Die politische Repräsentation von Fremden und Armen", Universität Trier.
Rubrizierung: 2.3 | 2.314 | 2.62 | 2.2 Empfohlene Zitierweise: Markus Linden, Rezension zu: Rita Kuczynski: Ostdeutschland war nie etwas Natürliches. Berlin: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/23534-ostdeutschland-war-nie-etwas-natuerliches_27019, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 27019 Rezension drucken