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Ilker Ataç

Ökonomische und politische Krisen in der Türkei. Die Neuformierung des peripheren Neoliberalismus

Münster: Westfälisches Dampfboot 2013; 191 S.; 27,90 €; ISBN 978-3-89691-911-3
Diss. Frankfurt a. M.; Begutachtung: A. Demirovi?, U. Brand – „Dieses Buch dekonstruiert die Geschichte des Neoliberalismus in der Türkei“ (14). Denn während die Europäische Union deren Transformationsprozess als beispielhafte Liberalisierung lobt, richtet Ilker Ataç einen genaueren Blick auf die Bedingungen und einzelnen Elemente dieser Entwicklung. Aus einer regulationstheoretischen Perspektive, deren defizitären Staatsbegriff er durch Poulantzas‘ materialistische Staatstheorie auszugleichen sucht, stellt er damit den herkömmlichen Deutungen seine eigene Analyse zur Seite. Dabei zeigt sich, dass die scheinbare ökonomische Stabilität des Landes eng mit Wirtschaftskrisen verbunden ist. Anhand drei großer Phasen zeichnet Ataç konkret nach, wie auf jede Krise eines ökonomischen Regimes mit einer Reformulierung derselben Logik geantwortet wurde. Die Folge war jeweils die weiterführende (Neo‑)Liberalisierung des Staates und der Märkte. Demnach erzeugte die Öffnung der türkischen Wirtschaft für den Weltmarkt seit den 1980er‑Jahren eine zunehmende Abhängigkeit, die wiederum auf eine Verschärfung der Liberalisierungsreformen hinwirkte. Neben der beginnenden Integration in den Weltmarkt und der Liberalisierung der Finanzmärkte steht die im Zuge der Krise im Jahr 2001 eingeleitete „umfassende[…] Restrukturierung der türkischen Ökonomie und des Staates“ (113) im Mittelpunkt der Analyse. Hierbei zeigt sich, dass das Scheitern des staatlichen Antiinflationsprogramms Ende der 1990er‑Jahre gerade zur Möglichkeit wurde, noch grundlegender am Verhältnis von Politik und Ökonomie anzusetzen und so den Staat auf seine autoritäre Rolle bei der Durchsetzung der vermeintlich notwendigen Anpassungen an den internationalen Wettbewerb zu reduzieren. Im Ergebnis standen eine restriktive Geldpolitik, Austerität und von unabhängigen Behörden geregelte Marktabläufe scheinbar als alternativlos da. Anhand seiner gründlichen Analysen zeigt Ataç deutlich auf, wie sich jeweils „die ökonomische Krise als Wegbereiter der neoliberalen Transformation“ (178) ausdrückt. Damit leistet seine Studie über den konkreten Fall der Türkei hinaus einen wichtigen Beitrag für die oftmals verkürzende Krisendiagnostik unserer Tage.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.63 | 2.21 | 2.22 | 2.262 | 2.263 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Ilker Ataç: Ökonomische und politische Krisen in der Türkei. Münster: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36944-oekonomische-und-politische-krisen-in-der-tuerkei_43367, veröffentlicht am 10.04.2014. Buch-Nr.: 43367 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken