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Nordkorea. Die Bedrohung für den Weltfrieden

18.12.2017
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Natalie Wohlleben, Dipl.-Politologin

Plakat NordkoreaPropaganda in Nordkorea, 2011 fotografiert von Mark Fahey
(Wikimedia Commons)
Das Atom- und Raketenprogramm Nordkoreas lässt Menschen vor allem in Südkorea, Japan und auf den pazifischen Inseln, die zu den USA gehören, um ihr Leben fürchten – die Beteuerungen des Regimes, nur für die Selbstverteidigung aufzurüsten, wirken nicht verlässlich angesichts des Elends, das der eigenen Bevölkerung zugemutet wird; andere Menschenleben zählen für den Diktator Kim Jong-un nichts, wie sich auch aus der von ihm angeordneten Tötung von Familienmitgliedern ablesen lässt. Aber Nordkorea steht mit den USA ein mächtiger Gegenspieler gegenüber, der unbedingt die völkerrechtswidrige atomare Aufrüstung verhindern will. Allerdings hat die aggressive Rhetorik von US-Präsident Donald Trump das Gefühl der Unsicherheit verstärkt, die Welt wähnte sich 2017 so nah wie schon lange nicht mehr am Rand eines Atomkriegs.

In diesem Themenschwerpunkt wird die bisherige Entwicklung nachgezeichnet und gefragt, wie real die atomare Bedrohung aus Nordkorea ist und welche Konzepte und Strategien zur Deeskalation und Denuklearisierung vor allem aus US-amerikanischer Sicht diskutiert werden.

Einen Überblick über das schwierige Verhältnis der einstigen Kriegsgegner USA und Nordkorea, die sich seit 1953 ohne Friedensabkommen in einem Waffenstillstandsabkommen feindselig gegenüberstehen, bietet das Buch „Countdown in Nordkorea“ von Matthias Naß. Er rekapituliert die Genese dieses seit Jahrzehnten schwelenden Konflikts und zeigt die Interessen der involvierten Akteure auf. Auf der Grundlage seiner eigenen Recherchen und wissenschaftlicher Analysen zeichnet er das Bild einer eskalierenden Konfrontation, die dennoch nur politisch zu lösen sein wird.

Die Entwicklung des nordkoreanischen Nuklear-Programm zeichnet Virginie Grzelczyk in ihrem Buch North Korea's New Diplomacy“ nach. In ihrer Analyse beleuchtet sie alle wesentlichen Aspekte der Diplomatie Nordkoreas. Ein Grundgedanke dabei ist, dass das Land politisch nicht isoliert ist, sondern über ein breites Netz an Partnern und Unterstüzern verfüge.

Die US-amerikanische Außenpolitik hat bislang auf eine Kombination von Sanktionen und Druck gesetzt, wie sich mit der Auswahlbibliografie „Clinton, Bush, Obama und die nordkoreanische Bombe“ aufzeigen lässt. Dennoch ist es 2017 zu einer Zuspitzung der Nuklearkrise gekommen. In den Analysen verschiedener Thinktanks lässt sich diese Eskalation nachvollziehen. Ihr stellen Nordkorea NampoAlltag in Nordkorea, 2015. Foto: Uwe Brodrecht (Wikimedia Commons)die Expert*innen Überlegungen darüber entgegen, wie eine politische Lösung des Konflikts gestaltet werden könnte – ein Krieg wird konsequent abgelehnt. Zunehmend zeichnet sich dabei ab, dass die maximale Forderung nach einer Denuklearisierung Nordkoreas kurzfristig keine Aussicht auf Erfolg hat, der Fokus wendet sich daher stufenweisen Konzepten zu. Deutlich wird zudem, dass die USA keine allzu großen Hoffnungen auf China setzen sollten. Auch in dem SIRIUS-Literaturbericht „Zum Ausmaß von und Umgang mit Nordkoreas Nuklearwaffen- und Raketenprogrammen“ geht Sven-Eric Fikenscher der Frage nach, wie konkret die Bedrohung ist und wie ihr zu begegnen ist. Ergänzt wird diese Zusammenstellungen mit der Übersicht „Im Fokus: Nordkorea“, verlinkt sind Dossiers und Forschungsschwerpunkte verschiedener Institutionen, die kontinuierlich zu diesem Themenbereich arbeiten.

In einer weiteren SIRIUS-Analyse wird allerdings eine grundsätzliche Frage aufgeworfen: Was ist Nordkoreas Raketenprogramm überhaupt – Drohung oder Bluff? Robert H. Schmucker und Markus Schiller nennen konkrete Indizien dafür, dass Nordkorea über gar kein tatsächlich eigenständiges Raketenprogramm verfügt.

Die Optionen, die in Zukunft für eine Auseinandersetzung mit der neuen Nuklearmacht zur Verfügung stehen, werden auch in der SIRIUS-Analyse „Gekommen, um zu bleiben“ diskutiert. Es sei davon auszugehen, schreibt Enrico Fels, „dass die Kim-Diktatur vorerst im Besitz von Kernwaffen sowie anderer Massenvernichtungswaffen bleiben wird. Selbst eine engere Abstimmung unter den USA und China dürfte nicht zu einer automatischen Denuklearisierung Nordkoreas führen.“ Daher komme es darauf an, die Eskalationsspirale aufzuhalten und im bilateralen Austausch zwischen Washington und Peking nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Dabei gelte es zu vermeiden, dass aus dem Konflikt über Nordkorea ein tiefgehendes strategisches Zerwürfnis zwischen beiden Ländern erwächst – von dem Russland profitieren würde.

Mit einem Gesprächsangebot, das Kim Jong-un dem US-Präsidenten im März 2018 hat übermitteln lassen, scheinen die Karten noch einmal neu gemischt zu werden. Aber auf welchen Vereinbarungen basierend könnten Abrüstung und Frieden dauerhaft Bestand haben? Welchen Preis hätte eine Denuklearisierung? US-amerikanische Experten warnen Trump davor, leichtfertige Zusagen zu machen und damit die Sicherheit der Verbündeten in Asien zu gefährden.

Für diese – Südkorea und Japan – gilt, ebenso wie für die Verbündeten in Europa, die erweiterte Abschreckung. Die Diskussion über diese in Asien bietet nach Ansicht von Michael Rühle aktuelle Lehren auch für die NATO-Partner der USA. Auch er warnt davor, die erprobte Sicherheitspartnerschaft infrage zu stellen.

Während seiner Mitgliedschaft 2019/2020 im UN-Sicherheitsrat will Deutschland Impulse zur Abrüstung und Rüstungskontrolle geben. Eine Herausforderung in dieser Hinsicht stelle Nordkoreas Nuklear- und Raketenrüstung dar, schreibt Patrick Köllner. 2017 eskalierten Kim Jong Un und Donald Trump den Konflikt hierüber. Gipfeltreffen zwischen Washington und Pyongyang sowie zwischen den beiden Koreas öffneten dann im Jahr 2018 Fenster für eine zukünftige Kooperation. In der Frage der Denuklearisierung liegen die Positionen der USA und Nordkoreas aber noch weit auseinander, so der Autor.

Im Februar 2019 brachen Donald Trump und Kim Jong-un die Gespräche über die Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden Staaten und eine Denuklearisierung Nordkoreas vorzeitig ab. Seither galten die Verhandlungen zwar als blockiert, aber dennoch habe Pjöngjang während der Monate formalen Stillstands weiterverhandelt. Am 4. Oktober nahmen die USA und Nordkorea in Stockholm ihre Beratungen wieder auf, allerdings wurden sie von Nordkorea noch am selben Tag für gescheitert erklärt. Mason Richey fragt nach den Gründen und entwickelt Szenarien, wie es weitergehen könnte.

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Anmerkung: Dieser Text wurde ursprünglich von Natalie Wohlleben verfasst und wird seit Februar 2019 weiter von der Redaktion bearbeitet. Zuletzt aktualisiert am 30. Oktober 2019.

 

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Adam Johnson
Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Berlin, Suhrkamp 2014

Der US-amerikanische Schriftsteller Adam Johnson beschreibt in seinem Roman – Originaltitel: „The Adam JohnsonOrphan Master’s Son“ – Nordkorea als Hölle auf Erden, ein Land, in dem es keine Freiheit gibt, der Einzelne keinen Wert hat, austauschbar ist. Um der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen, hatte Johnson sehr gründlich recherchiert und Nordkorea bereist. Für sein eindringliches literarisches Abbild dieser Diktatur erhielt er 2013 den Pulitzer-Preis. Eine ausführliche Rezension findet sich unter anderem auf der Website des Deutschlandfunks: „Ein Blick ins Innere von Nordkorea“


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