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Stefanie Herr

Nichtstaatliche Gewaltakteure und das Humanitäre Völkerrecht. SPLM/A und LTTE im Vergleich

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2015 (Studien der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung 29); 320 S.; 62,- €; ISBN 978-3-8487-2212-9
Diss. Darmstadt; Begutachtung: K. D. Wolf, U. Schneckener. – Unter welchen Bedingungen sind nichtstaatliche Gewaltakteure (non‑state armed groups, NSAGs) bereit, sich zur Einhaltung von völkerrechtlichen und damit humanitären Normen zu verpflichten? Stefanie Herr widmet sich dieser Frage am Beispiel der Sudan People’s Liberation Movement/Army (SPLM/A) und der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) in Sri Lanka. Sie identifiziert dabei den Wunsch nach internationaler Anerkennung der jeweiligen Gruppierung als den entscheidenden Mechanismus, der erklärt, „wann [...] und wie sich NSAGs von humanitären Normen überzeugen lassen“ (24). Anerkennung gelte gerade für nichtstaatliche Gewaltakteure als relevanter Faktor in ihrem Bestreben, politische Ziele wie die Macht‑ oder Gebietsübernahme in Opposition zu einer völkerrechtlich anerkannten Regierung zu realisieren. Konkret untersucht Herr die Normakzeptanz am Beispiel einer von der Nichtregierungsorganisation Geneva Call gestarteten Initiative, die NSAGs zum Verzicht auf den Einsatz von Antipersonenminen durch Unterzeichnung einer Selbstverpflichtung (Deed of Commitment) bewegt. Hierdurch würden die Gruppen „erstmals Unterzeichner eines international respektierten Regelwerks“ (53) und für die Strategie des naming and shamings als Druckmittel zur Einhaltung dieser Selbstverpflichtung bei anderweitigem Reputationsverlust empfänglich. Operationalisiert wird Normakzeptanz, indem sie von Herr als Prozess verstanden wird, „der in der Unterzeichnung einer Verzichtserklärung seinen eindeutigsten Ausdruck findet“ (127). Die Frage der tatsächlichen Einhaltung der Norm in der Praxis wird von ihr ausgeklammert und ist daher nicht Teil der Untersuchung. Am Ende bietet diese ein positives ebenso wie ein negatives Beispiel. Während im Fall der SPLM/A das Prinzip Anerkennung‑gegen‑Normakzeptanz (Verzicht auf die Verwendung von Antipersonenminen) funktioniert zu haben scheint, zeigt der Fall der LTTE, warum weltweit nicht viel mehr NSAGs diesen Pfad eingeschlagen haben: Nach Erkenntnis von Herr stellt neben dem Zeitpunkt des Versuches die Form der Anerkennung eine entscheidende Bedingung dar, die im Falle der LTTE durch eine fehlende Akzeptanz als staatlicher Akteur nicht statusgerecht ausgefallen sei. Für die Praxis ergibt sich ihr zufolge aus dem Ergebnis ihrer Studie unter anderem, dass die Kriminalisierung nichtstaatlicher Gewaltakteure nicht alternativlos ist, sondern ihr Bedürfnis nach Anerkennung in den Augen der Welt als Mittel zur strategischen Einflussnahme genutzt werden kann.
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Rubrizierung: 4.414.32.252.672.68 Empfohlene Zitierweise: Christian Patz, Rezension zu: Stefanie Herr: Nichtstaatliche Gewaltakteure und das Humanitäre Völkerrecht. Baden-Baden: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/39128-nichtstaatliche-gewaltakteure-und-das-humanitaere-voelkerrecht_47496, veröffentlicht am 26.11.2015. Buch-Nr.: 47496 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken