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Ulrich Jürgens / Martin Krzywdzinski

Neue Arbeitswelten. Wie sich die Arbeitsrealität in den Automobilwerken der BRIC-Länder verändert

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2016; 480 S.; 39,95 €; ISBN 978-3-593-50277-9
Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) gelten – immer noch – als Aufsteigerländer in einer von klassischer Industrieproduktion und intensiver Ressourcennutzung geprägten Globalisierung. Eine der Ressourcen, die diesen Aufstieg ermöglicht, ist die Ressource Mensch und damit: die „niedrigen Arbeitskosten“ (15). Ziel des vergleichend angelegten Buches von Ulrich Jürgens und Martin Krzywdzinski ist die „Analyse der Arbeitssituation und der Lage der Beschäftigten in den Werken der BRIC‑Länder“ (16), wobei drei Aspekte der Automobilproduktion besonders im Vordergrund stehen. Erstens: Lassen sich Tendenzen zur Konvergenz der Personal‑ und Produktionssysteme identifizieren? Zweitens: Verdrängen neu eingeführte Produktionsprozesse lokale, gegebenenfalls auch besser funktionierende Lösungen oder sind Lerneffekte festzustellen? Und drittens: Versuchen Konzerne gezielt, von den niedrigen Arbeitsmarktstandards zu profitieren oder transferieren sie eher ihre heimischen Werte und Richtlinien zu den neuen Produktionsstandorten? Im Rahmen einer explorativen, auf Überlegungen der Grounded Theory gestützten Analyse untersuchen Jürgens und Krzywdzinski die jeweiligen Produktionsstandorte von Volkswagen und Toyota in den vier Ländern sowie zusätzlich jeweils einen einheimischen Produzenten. „Schwerpunkt unserer empirischen Untersuchungen waren Werke zur Endmontage von PKWs“ (42), wobei sowohl Interviews als auch Dokumente aus dem Bereich des Human Resources Management und einzelne Aspekte des Produktionsprozesses selbst in die Betrachtung eingeflossen sind. Auf diese Art und Weise kommen Jürgens und Krzywdzinski bei der Auswertung der zwischen 2009 und 2013 erhobenen Daten unter anderem zu dem Schluss, dass eine sorgfältige, anhand von differenziert ausdefinierten Kriterien getroffene Personalauswahl mittlerweile ebenso zum Standard gehört wie die „Abkehr von einer ‚hire and fire‘‑Orientierung“ (435). Auch hinsichtlich der Qualifizierung ihrer Mitarbeiter bemühen sich Toyota und Volkswagen um eine Angleichung an die Standards ihrer Heimatwerke. Für die Frage, inwiefern die Konzerne gezielt versuchen, niedrige Arbeitsmarktstandards für die Maximierung der Gewinne auszunutzen, verweisen Jürgens und Krzywdzinski zudem auf die Rolle der Gewerkschaften. Je stärker und anerkannter diese seien, so ihr Fazit, desto stärker seien auch die Bemühungen der Automobilindustrie, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen. Eine erstaunlich hohe Konvergenz globaler Arbeitswelten im Automobilsektor lässt sich also nicht nur, etwa was die Arbeiterauswahl anbetrifft, auf Initiativen und Gewinninteressen der Konzerne zurückführen. Auch gewerkschaftliche Mitbestimmung, die in Europa durchaus schon bessere Tage gekannt hat, macht sich hier positiv bemerkbar.
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Rubrizierung: 2.2622.22.222.622.652.68 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ulrich Jürgens / Martin Krzywdzinski: Neue Arbeitswelten. Frankfurt a. M./New York: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/40193-neue-arbeitswelten_47913, veröffentlicht am 01.12.2016. Buch-Nr.: 47913 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken