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Gerald Steinacher

Nazis auf der Flucht. Wie NS-Kriegsverbrecher über Italien nach Übersee entkamen

Innsbruck/Wien/Bozen: Studien Verlag 2008 (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 26); 380 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-7065-4026-1
Habilitationsschrift Innsbruck. – Der Tiroler Historiker Steinacher beschreibt, wie eine Gruppe von SS-Tätern, hohen Nationalsozialisten und NS-Kriegsverbrechern, unter ihnen Josef Mengele und Adolf Eichmann, nach Übersee flüchtete und sich so der drohenden Strafverfolgung nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes entzog. Diese Fluchtwelle begann 1946, erreichte 1948/49 ihren Höhepunkt und ebbte 1951 ab. Der größte Teil der Geflüchteten sei über italienische Häfen nach Übersee entkommen, so der Autor. Italien sei zur „Drehscheibe“, zum „wichtigsten ‚Sprungbrett’ sowohl für Flüchtlinge als auch für belastete Personen nach Übersee“ (10) geworden. Die Fluchtrouten hätten über Südtirol, Rom und Genua nach Nord- und Südamerika, dort hauptsächlich nach Argentinien, aber auch in Länder des Nahen Ostens (vor allem Syrien und Ägypten) geführt. Als „Rattenlinie“ (15) bezeichneten die US-amerikanischen Geheimdienste diese Fluchtroute. Steinacher zeigt, dass sich die Fluchthilfe zu einem komplexen Geflecht von Einzelpersonen, Institutionen und Staaten entwickelte. Dazu hätten SS-Kameradenkreise, Vertreter der katholischen Kirche sowie die argentinische Regierung gezählt, die sich darum bemühte, deutsche Fachleute aus Militär und Technik anzuwerben. Auf der Basis von fünf Jahre währenden Studien in Archiven, wozu auch das des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf zählt, rekonstruiert Steinacher die „gesamte Handlungskette der Flucht“ (9). Dabei interessieren ihn besonders die Fluchthelfer. Hierzu zählt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, das bis 1951 etwa 120.000 Reisedokumente ausstellte. Er fragt auch, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Vatikan und dem Rotem Kreuz zu bewerten ist: „Vom Brenner bis Rom gab es eine Gruppe von gleichgesinnten Geistlichen, die den Nationalsozialisten zielbewusst und entschieden halfen.“ (13) Die US-Geheimdienste hätten nicht nur wenig gegen die Fluchtorganisationen unternommen, vielmehr seien ehemalige Nationalsozialisten sogar von den US-Militärs als „‚antikommunistische Fachleute’“ (9) eingesetzt worden.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.2 | 2.65 | 2.25 | 2.61 | 2.312 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Gerald Steinacher: Nazis auf der Flucht. Innsbruck/Wien/Bozen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/29700-nazis-auf-der-flucht_35173, veröffentlicht am 13.01.2009. Buch-Nr.: 35173 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken